Und so verlierst du sie
nicht, dass ihr euren Abfall einfach auf den Boden oder auf die Straße werft. Und ich will nicht, dass ihr in die Büsche macht.
Rafa stupste mich an. In Santo Domingo hatte ich überall hingepinkelt, und als Papi mich am Abend seiner triumphalen Rückkehr zum ersten Mal in Aktion erlebte, als ich gerade an eine Straßenecke pullerte, hatte er gebrüllt, Was zum carajo machst du da?
Hier wohnen anständige Leute, und so werden wir auch leben. Ihr seid jetzt Amerikaner. Auf einem Knie balancierte er seine Flasche Chivas Regal.
Nach ein paar Sekunden, um ihm zu zeigen, ja, ich hatte alles verdaut, was er gesagt hatte, fragte ich: Dürfen wir jetzt rausgehen?
Warum helft ihr mir nicht beim Auspacken?, schlug Mami vor. Sie hielt die Hände ganz still; normalerweise waren sie immer mit irgendwas beschäftigt, einem Blatt Papier, einem Ärmel, miteinander.
Wir kommen ja gleich wieder, sagte ich. Ich stand auf und zog meine Stiefel an. Hätte ich meinen Vater ein bisschen gekannt, hätte ich ihm wohl nicht den Rücken zugedreht. Aber ich kannte ihn nicht; er hatte in den letzten fünf Jahren in Amerika gearbeitet, und wir hatten in den letzten fünf Jahren in Santo Domingo gewartet. Er packte mich beim Ohr und riss mich zurück auf das Sofa. Dabei sah er nicht gerade glücklich aus.
Ihr geht raus, wenn ich sage, dass ihr so weit seid.
Ich sah mich nach Rafa um, der still vor dem Fernseher saß. Zu Hause auf der Insel waren wir allein mit dem guagua durch die ganze Hauptstadt gefahren. Ich sah zu Papi auf, sein schmales Gesicht war mir noch nicht vertraut. Guck mich nicht so frech an, sagte er.
Mami stand auf. Dann könnt ihr Kinder mir auch helfen.
Ich rührte mich nicht. Auf dem Bildschirm gaben Nachrichtensprecher leise, dumpfe Laute von sich. Ein Wort wiederholten sie immer wieder. Als ich später zur Schule ging, lernte ich, dass es
Vietnam
lautete.
Weil wir das Haus nicht verlassen durften – es ist zu kalt, sagte Papi einmal, aber in Wahrheit war der einzige Grund, dass er es so wollte –, saßen wir in den ersten Tagen meistens vor dem Fernseher oder starrten hinaus auf den Schnee. Mami putzte alles etwa zehnmal und bereitete verdammt aufwendige Mittagessen für uns zu. Uns allen war zum Gähnen langweilig.
Recht bald beschloss Mami, das Fernsehen sei förderlich; es könnte helfen, die Sprache zu lernen. Sie stellte sich unsere jungen Köpfe wie leuchtende, staksige Sonnenblumen vor, die Licht brauchten, und pflanzte uns so nah es ging vor den Fernseher, damit wir möglichst viel davon aufnehmen konnten. Wir sahen uns Nachrichten an, Sitcoms, Zeichentrickserien,
Tarzan, Flash Gordon, Jonny Quest, Herculoids,
die
Sesamstraße
– acht, neun Stunden Fernsehen am Tag, aber unser bester Lehrer war die
Sesamstraße
. Jedes Wort, das mein Bruder und ich aufschnappten, warfen wir uns gegenseitig zu und wiederholten es ständig, und wenn wir Mami vormachen sollten, wie man etwas aussprach, schüttelten wir nur den Kopf und meinten, Mach dir keine Sorgen deswegen.
Jetzt sagt es schon, bat sie, aber wenn wir ihr die Wörter langsam vorsprachen und riesige, träge Seifenblasen aus Klängen formten, konnte Mami sie nie nachahmen. Ihre Lippen schienen selbst die einfachsten Vokale zu verzerren. Das klingt ja scheußlich, sagte ich.
Was weißt du schon über Englisch?, fragte sie.
Beim Abendessen probierte sie ihre Sprachkenntnisse an Papi aus, aber er stocherte nur in seinem Schweinebraten, nicht gerade das beste Rezept meiner Mutter.
Ich verstehe kein Wort, sagte er schließlich. Am besten überlässt du das Englischreden mir.
Wie soll ich es dann lernen?
Das brauchst du gar nicht. Außerdem können die meisten Frauen Englisch sowieso nicht lernen.
Das ist eine schwierige Sprache, sagte er, erst auf Spanisch und dann auf Englisch.
Mami erwiderte nichts mehr. Sobald Papi am nächsten Morgen aus der Tür war, schaltete Mami den Fernseher ein und setzte uns davor. Morgens war es in der Wohnung immer kalt, wir mussten uns richtig aus dem Bett quälen.
Es ist noch zu früh, sagten wir.
Das ist wie Schule, erklärte sie.
Nein, ist es nicht, widersprachen wir. Früher waren wir erst mittags in die Schule gegangen.
Ihr beiden jammert zu viel. Dann stellte sie sich hinter uns, und wenn ich mich umdrehte, formte sie die Wörter, die wir lernten, lautlos mit den Lippen nach und versuchte zu verstehen, was sie bedeuteten.
Sogar die Geräusche, die Papi frühmorgens machte, waren mir fremd. Ich lag im Bett und
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