Und stehe auf von den Toten - Roman
das herauszufinden. Er musste sie verhören, obwohl er das eigentlich nicht konnte, schließlich
war er kein Jurist wie Prospero Lambertini, sondern ein Schöngeist, und zudem ein Schöngeist, der ihren Reizen erlegen war.
Aber Prospero strebte einem steirischen Provinznest entgegen, und er hatte ihn zu vertreten. Also durfte er sich der Befragung nicht entziehen, auch wenn das Unterfangen riskant war. Denn er gierte nach dieser Frau, nach ihrem Körper, mit all seinen Sinnen. Wenn er nur daran dachte, wie sie sich gemeinsam ihrer Leidenschaft hingegeben hatten, konnte er keinen klaren Gedanken mehr fassen, sondern taumelte hilflos hinein in einen einzigartigen Rausch.
Endlich kehrte sein Diener heim und überbrachte ihm das Antwortbillet der Gräfin. Ungeduldig brach er das Siegel auf und öffnete den kleinen Umschlag. Ihre Schrift war ebenmäßig, streng. Das Kärtchen roch nach ihrem Rosenwasser. Der Geruch des Duftwassers allein brachte sein Blut in Wallung. Er hörte im Kopf ihre Stimme, als er ihre Botschaft las: »Lieber Valenti, auch ich muss Sie dringend sprechen. Beunruhigende Dinge spielen sich in meiner Nähe ab. Bitte kommen Sie schnell zur Farnesina. Und sagen Sie niemandem etwas. Ich kann keinem vertrauen, am allerwenigsten meinem Mann. Sie ahnen ja nicht, was ich erleide. Ich flehe Sie an, kommen Sie zur Villa, und retten Sie mich, bevor es zu spät ist. Ihre Maria!«
Keine halbe Stunde später stand er vor dem rötlich-gelben Bau. Auf sein Läuten hin erschien Alvaro und bat ihn herein. »Die Gräfin erwartet Sie. Oben.«
Valenti rannte die Treppen hoch und stand im nächsten Moment im Schlafzimmer. Eigentlich hatte er erwartet, dass der bloße Anblick dieser Stätte ihrer Wollust ihn erregen würde, aber als er die Gräfin ansah, fiel ihm sofort
ihre unnatürliche Blässe auf. Ihr Teint glich weißem Porzellan und wirkte durch das schwarze, hochgeschlossene Kleid, das sie trug, noch fahler. Nichts an ihr erinnerte an die Fröhlichkeit und Laszivität ihrer letzten Begegnungen. Maria Konstanza von Stamitz wirkte auf ihn wie eine Frau, die sich auf dem Weg ins Kloster befand und die dem Komplizen ihrer Ausschweifungen ein letztes Lebewohl sagen wollte. Es blieb nur Asche, nachdem das Feuer sich selbst verzehrt hatte, dachte Valenti.
Sie schaute ihn indes nicht an, sondern blickte unbewegt zum Fenster hinaus. »Ich habe nachgedacht. Sie müssen umkehren. Gehen Sie«, bat sie leise, aber eindringlich. »Retten Sie sich, liebster Graf. Sehen Sie zu, dass wenigsten Sie aus dieser Geschichte mit heiler Haut davonkommen.«
Valenti bezwang seine Überraschung über ihr frömmelndes Auftreten, ging zu ihr und drehte sie sanft zu sich. In ihren Augenwinkeln hingen zwei Tränen.
»Ich gehe nicht, bevor ich nicht weiß, wie ich Ihnen helfen kann.«
»Es ist zu spät, mein kleiner Valenti.« Sie schloss mit einem tiefen Seufzer die Augen. Er nahm sie in die Arme, wiegte sie und genoss das Gefühl ihres Körpers an seinem. Die Gräfin schmiegte sich zwar leicht an, bewahrte jedoch eine gewisse Distanz. Nicht Lust, sondern das Bedürfnis nach Trost drückte ihre Berührung aus.
»Reden Sie, um Gottes willen!«, drängte Valenti.
»Ich kann nicht«, flüsterte sie.
»Sie müssen!« Er schloss seine Arme fester um sie, und sie stöhnte auf. »Vertrauen Sie mir!«
»Hätte ich Sie hergebeten, wenn ich es nicht täte?«
»Dann reden Sie bitte mit mir!«, flehte er nun fast.
»Schwören Sie, über alles, was ich Ihnen sage, zu schweigen. Dann will ich Ihnen beichten, mon petit Abbe.«
Valenti sah sich um. »Dafür ist das hier der falsche Ort. Ich kenne eine kleine Kirche, ganz in der Nähe...«
Sie legte ihre schlanken Finger auf seine Lippen, und er verstummte. »Sie irren sich, meine Beichte ist nicht für die Ohren eines Priesters bestimmt, sondern für die des Mannes, den ich liebe.«
Valenti fühlte sich, als hätte ihm jemand einen Kinnhaken versetzt. Er schüttelte benommen den Kopf, um wieder zu klarem Verstande zu kommen, spürte jedoch stattdessen, wie Panik in ihm hochstieg. Wenn ein Thema und ein Gefühl zwischen ihnen überhaupt nicht existiert hatte, dann war es die Liebe. Mühsam gelang es ihm, sich wieder zu fassen. Die Gräfin hatte ihn aus dem Augenwinkel beobachtet. »Keine Sorge! Sie müssen sich zu nichts verpflichtet fühlen. Aber die Begegnung mit Ihrem reinen, gottesfürchtigen Wesen hat mich geläutert, hat mir gezeigt, in welcher Sünde ich lebe«, gestand sie ein. Sie
Weitere Kostenlose Bücher