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Und stehe auf von den Toten - Roman

Titel: Und stehe auf von den Toten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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herum.
     
    Sie waren die Nacht durchgeritten und hatten unterwegs dreimal die Pferde gewechselt. In Roviano, in Avezzano und in Popoli. Da er auf persönlichen Befehl des Papstes reiste, hatte er das Privileg, an jeder Poststelle und in jeder Stadt unentgeltlich neue Pferde zu erhalten. Nicht lange, nachdem sie Roviano passiert hatte, verließen sie das Latium und tauchten in die so romantische wie schroffe Bergwelt der Abruzzen ein, in denen seit jeher allerlei lichtscheues Gesindel sein Unwesen trieb. Immer wieder gelangten hier tollkühne Räuberhauptmänner zu Ruhm und wurden, nachdem sie schließlich am Galgen oder auf dem Rad endeten, zur Legende.
    Gegen Mittag trafen sie in der Hafenstadt Pescara ein. Pepe drängte den Hilfsauditor, etwas zu essen, während er ein Schiff ausfindig machen wollte, das sie über die Adria bringen würde. Prospero suchte nicht lange nach einer Gastwirtschaft, sondern ließ sich in einem einfachen Ristorante am Pier nieder. Mäßiger Wind strich über die fahlblaue See, über der graue Wolkenberge hingen. Ein Anblick, der aufs Gemüt drückte. Es fehlten die Sonne, der azurne Himmel und das freundliche Blau des Meeres. Nun ja, dachte Prospero, es war eben Winter. Er schlang missmutig
seinen Pulpo hinunter und trank seinen Weißwein, der so fahl wie das Meer war. Endlich kehrte Pepe zurück. Neben dem Katalanen lief mit dem wiegenden Gang des Seemannes ein schwarzhaariger Kerl mit wettergebräuntem Gesicht. Seine himmelblauen Augen schwammen, was Prospero irritierte. Die beiden setzten sich zu ihm.
    »Capitano Corazza«, stellte Pepe den Fremden vor. »Er hat das schnellste Schiff im Hafen und wird uns in einem Tag nach Pirano bringen.«
    »Jo«, sagte der Seemann.
    »Ich habe gehört, man benötigt bei günstigem Wind mindestens zwei Tage«, bemerkte Prospero zweifelnd.
    »Jo.«
    »Ja, was stimmt denn nun? Ein oder zwei Tage?«
    »Jo.«
    Mehr als diese eine Silbe schien man dem Seebär nicht entlocken zu können. Prospero glaubte zu verstehen, weshalb Pepe ausgerechnet mit diesem Schiffseigner ankam. Er schien noch wortkarger als er selbst zu sein, und auf einer Seereise, wo man auf dem Boot zusammengepfercht war und einander nicht aus dem Weg gehen konnte, war das in der Tat ein wichtiges Argument. Capitano Corazza winkte dem Wirt. Der kam, ohne zu fragen, gleich mit einem Becherglas, das zur Hälfte mit einer durchsichtigen Flüssigkeit gefüllt war, und stellte es vor dem Seemann ab. Der Wirt wollte schon gehen, doch der Capitano hielt ihn am Ärmel fest.
    »Einen Grappa!«
    »Da steht er doch.« Der Wirt wies mürrisch auf das Glas.
    »Ich habe nicht gefragt, was da steht, sondern ich will einen Grappa haben, Landratte«, sagte der Capitano. Er führte das Glas an die Lippen, ließ den Alkohol behutsam
auf seine Zungenspitze fließen und dann langsam, Tropfen für Tropfen, die Kehle hinabrinnen. Bei dieser Prozedur schloss er genüsslich die Augen. Als er sie wieder öffnete, schwammen sie in einem Wohlgefühl, das sich auf den ganzen Körper auszubreiten schien.
    »Nimm das gleich mit«, brummte er und hob das Glas hoch. Der Wirt nahm es und verschwand im Haus.
    Prospero, der am liebsten gleich aufgebrochen wäre, zwang sich zu Geduld und Höflichkeit. »Wollen Sie nicht etwas essen?«, fragte er den Seemann.
    »Essen? Hier? Faulen Fisch? Verschimmeltes Obst? Verdorbenes Gemüse? Nein danke, Signor.« Dann blickte er mit Ekel auf Prosperos Teller, auf dem der letzte schrumpelige Tintenfisch ein trauriges Bild abgab.
    »Und Pulpo sollten Sie hier schon gar nicht essen. Den da hat mein Großvater in seiner Jugend schon gefangen.«
    Prospero spürte augenblicklich, wie ihm schlecht wurde. Irgendwie hatten sie wirklich sehr seltsam geschmeckt. Der Schiffseigner grinste breit. »Ist ’n Gerücht, das man am Meer frischen Fisch bekommt.«
    Je länger Corazzas Worte auf ihn wirkten, umso beherrschender wurde die Übelkeit, die sich in ihm ausbreitete. Der Wirt kam mit dem Grappa zurück. Der Capitano schob sein Glas Prospero hin und sagte zum Wirt: »Noch drei!«
    Dann schaute er voller Mitleid zu Prospero. »Trink das, Bruder. Das ist Medizin. Für deine Gesundheit ist mir nichts zu teuer.« Prospero, der immer stärker mit dem Brechreiz zu kämpfen hatte, trank den Grappa in einem Zug.
    »Besser?« Der Capitano lachte und entblößte dabei eine bemerkenswerte Zahnlücke. Der Wirt kehrte mit drei Gläsern zurück und stellte sie wortlos auf den Tisch.
    »Noch drei und dann die

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