Und stehe auf von den Toten - Roman
Rechnung!«, brüllte der Seemann
hinterher. Er schob wieder einen Grappa zu Prospero hinüber, stieß mit seinem an Prosperos Glas an, nuschelte »Avanti« und ließ den Alkohol erneut genüsslich, Tropfen für Tropfen, in seinen Mund rinnen. »Den Wein kannst du hier vergessen, aber der Schnaps ist besser als jedes Weib! Der wärmt dich durch!«, brummte er. Dann leerte er auch noch das zweite Glas.
Prospero folgte seinem Beispiel. Das dumpfe Gefühl im Magen legte sich langsam. Dafür stellte sich eine angenehme Leichtigkeit ein. Der Wirt erschien beflissen mit der Rechnung und dem Grappa.
»Noch einen und der vergammelte Tintenfisch kann dir nichts mehr anhaben«, sagte der Capitano grinsend. Prospero fühlte zwar, dass er tüchtig verladen wurde, doch er trank willig. Er tröstete sich damit, dass er sich noch an Bord ausruhen konnte und mit dem Alkohol im Bauch auf dem schwankenden Kahn vermutlich besser schlafen würde. Ganz wohl war ihm bei der ganzen Angelegenheit nicht, denn er hatte das Meer stets nur vom Strand oder von der Mole aus bewundert. Der Gastwirt wartete immer noch neben ihm. »Zehn Baiocci«, sagte er an Prospero gewandt.
Der Seemann trank gemächlich erst den einen, dann den anderen Grappa, als ob ihn das alles nichts anginge. Prospero begriff, dass Corazzo ihn auf seine eigenen Kosten eingeladen hatte und legte das Geld auf den Tisch.
Der Schiffseigener stand auf. »Signori, folgen Sie mir. Ich darf Ihnen jetzt die Esperanza vorstellen«, verkündete er feierlich.
Prospero Lambertini wurde es erneut schlecht, als er das Schiff sah. Wenn man sich diesem morschen Seelenverkäufer aus Cäsars Zeiten anvertraute, konnte man wirklich nur noch hoffen und beten. Auch die vier Besatzungsmitglieder
wirkten nicht gerade vertrauenerweckend. In einen Sturm durften sie nicht kommen, dachte Prospero und flehte seinen Schöpfer um schönes Wetter an.
Sie gerieten auf der sonst so ruhigen Adria in einen der heftigen Winterstürme. Das Schiff knarrte und ächzte an allen Ecken und Enden, als ob es jeden Moment auseinanderbrechen würde. Durch die Planken drang Wasser, das Pepe unermüdlich abschöpfte. Wellenberge warfen sich bis in den Himmel auf. Es war der Besatzung gerade noch gelungen, die Segel zu reffen. Regen peitschte von wilden Winden getrieben über die Planken wie ein riesiger Besen aus Wasser. Prosperos Gesichtsfarbe wechselte derweil von kalkweiß zu grün und wieder zurück. Er hielt den Kopf über die Reling und erbrach sich. Eine Welle, die sie gerade hinabglitten, barst, und das Schiff stürzte mit dem Wasser in das Wellental. So fühlte es sich wohl an, wenn ein Felsen einem unter den Füßen wegbrach. Durch die Erschütterung verlor Prospero den Halt und fand sich plötzlich außerhalb des Schiffes wieder. Er brüllte, doch seine Stimme ging in dem gewaltigen Tosen des Meeres unter, das bereits seinen nassen Rachen aufriss, um ihn zu verschlingen.
50.
A uch Valenti befand sich in schwerer See. Der Besuch bei Deborah war desaströs verlaufen. Weder sie noch ihr Vater wollten glauben, dass von David von Fünen eine Gefahr ausging. Als Valenti ihnen vorsichtig die Möglichkeit unterbreitete, dass es sich bei ihrem zukünftigen Ehemann und Schwiegersohn um einen Vampir handeln könnte, erhielt er von Corcos ein trauriges Kopfschütteln und wurde von Deborah mit beißendem Spott überschüttet. So verließ er das Haus des Rabbiners unverrichteter Dinge und mit einem miesen Gefühl im Bauch.
Nachdem er anschließend die Observation Cavalcantis und des Palastes organisiert hatte, lief er ruhelos in seiner Bibliothek auf und ab. Er hatte vergebens versucht, durch ein Glas Rotwein und die Lektüre der Verse Michelangelos Ruhe zu finden. Der Wein mundete ihm nicht, und die Zeilen des Göttlichen, wie der große Maler und Bildhauer genannt wurde, feuerten nur sein Verlangen an: »Voglia sfrenata il senso e, non amore... Die Seele stirbt an Sinnengier; nicht Liebe ist das... « Er verzehrte sich nach der Gräfin Maria Konstanza von Stamitz, umso mehr, als sie ihm ein Rätsel blieb. Sie war eigensinnig, lasziv, durchtrieben, erfüllt von einem unbändigen Hang zum Spiel, regiert, wie es schien, einzig und allein von ihrer sexuellen Gier. Aber all das machte sie schließlich nicht zu einer Mörderin oder einer Komplizin von Mördern. Oder? Vielleicht schwebte sie sogar selbst in Gefahr, wenn in ihrem nächsten Umfeld grauenvolle Morde geplant und ausgeführt wurden. Es gab nur einen Weg,
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