Und stehe auf von den Toten - Roman
sie im Dom. Aber nach Errichtung der Kapelle wurden alle Bartaszolys 1678 hierher umgebettet«, antwortete der Pfarrer halblaut.
Vor ihnen lag jetzt der Sarkophag. Die Handwerker errichteten ein Gestänge und hievten mittels Seilen und eines
Flaschenzuges den schweren Marmorsarkophag nach oben. Sie stellten ihn neben dem Loch auf dem Boden der Kapelle ab. Prospero trat heran und machte den Handwerkern ein Zeichen, den Deckel zu öffnen.
Ein schmaler Totenschädel blickte ihm entgegen. Bis auf ein paar Halswirbel und die Handknochen wurde das Skelett von einer kostbaren Garderobe bedeckt. Der Hilfsauditor schaute sich die sterblichen Überreste der Gräfin genau an. Er zog ihre Schuhe aus und öffnete ihr Kleid. Es gab keine Besonderheiten an dem Skelett. Er hatte sich die medizinischen Berichte angesehen. Die Beschreibungen der Ärzte stimmten mit dem überein, was er sah. Nur eines verwunderte ihn. Laut ärztlichem Bericht und dem Porträt, das er in der Stadtburg gesehen hatte, besaß die Gräfin einen eher runden Kopf. Der Schädel aber wies auf einen Menschen mit länglicher Kopfform hin. Das irritierte ihn. Er beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen.
»Holen Sie bitte einen Arzt«, sagte er an den Stadthauptmann gewandt.
»Was, jetzt? Um diese Zeit noch?«
»Ja, gleich!«
Prospero fiel auf, dass Heisterbach unruhig wurde. »Wollen Sie mir etwas sagen?«, fragte er den Geistlichen.
Heisterbach wich seinem Blick aus. »Nein, außer, dass es wirklich schon ziemlich spät ist.«
»Ich weiß, und der Bischof wird ärgerlich sein, weil er nicht zugegen war. Dennoch benötige ich jetzt die fachkundige Meinung eines Mediziners«, beharrte Prospero.
Er nutzte die Wartezeit, um den Fußboden der Kapelle genau in Augenschein zu nehmen. Überall befanden sich in den Boden eingelassene Grabplatten. Auf der rechten Seite,
etwa in der Mitte der Kapelle, entdeckte er eine Platte, die man scheinbar ebenfalls vor kurzem bewegt hatte. In ihm stieg ein Verdacht hoch.
Seine Gedanken wurden unterbrochen von der Ankunft des Stadtmedikus, einem dickleibigen Freund des gemütlichen Lebens. »Das erste Mal in meiner Praxis, dass die Toten eilig nach dem Arzt verlangen«, rief er beim Betreten der Kapelle jovial. Prospero stellte sich vor, bat ihn für die späte Störung um Verzeihung und fragte ihn dann, ob der Schädel der Toten in dem Grab zu den Beschreibungen des Leichenbeschauers passte.
»Ach, ihr Katholiken mit euren abergläubigen Bräuchen«, spottete der Mediziner. Er schien Protestant zu sein. Dann vertiefte er sich in die Schriftstücke, die ihm der Hilfsauditor zeigte, und unterzog anschließend das Skelett eingehender Betrachtung. Er räusperte sich und verkündete sein Urteil: »Die Frau in den Unterlagen und dieses Skelett sind nicht dieselbe Person.«
»Sie sind nicht identisch?«, hakte Prospero nach.
»Nein. Abgesehen davon, dass wir verschiedene Kopfformen haben, wird in dem Dokument beschrieben, dass sich die Gräfin den Fußknöchel gebrochen hat.« Er wies auf den rechten Fuß. »Sehen Sie sich diesen völlig unversehrten Knochen an. Diese Frau hatte niemals eine Knöchelfraktur gehabt. Ausgeschlossen.«
Prospero Lambertini drehte sich um und durchbohrte mit seinen Blicken den Stadthauptmann. »Wie erklären Sie sich das?«
»Ich? Gar nicht! Hören Sie, ich steige nicht in Grüfte!«, rief Sinzau empört aus.
»Und Sie?«, wandte sich Prospero an den Pfarrer. Dessen zuckendes Augenlid verriet seine Nervosität, er spielte
jedoch den Schockierten. »Ich kann es nicht glauben!«, stammelte er.
Prospero ergriff blitzschnell eine Hand des Geistlichen. »Und weshalb haben Sie dann in dieser Kälte schweißnasse Hände? Tun Sie sich selbst einen Gefallen und zeigen Sie mir, wo die Gräfin liegt.« Heisterbach schüttelte den Kopf. Augenscheinlich befand sich der Pfarrer in einer Zwickmühle. Prospero ging zu der Bodenplatte, die ihm vorher schon aufgefallen war.
»Liegt sie hier?« Der Pfarrer nickte kaum merklich.
»Öffnen!«, befahl Prospero. »Ihr habt nur die Abdeckungen ausgetauscht? Stimmt es?« Wieder nickte der Geistliche.
Als die Lehrlinge die Platte abgehoben hatten, staunte der Hilfsauditor. Die Gruft war zugemauert.
»Aufbrechen!«, wies er die Handwerker an.
»Nein!«, schrie der Geistliche voller Panik.
»Aufbrechen!«, wiederholte Prospero drohend.
»Bei unserer heiligen Mutter Gottes! Ich flehe Sie an, sehen Sie davon ab.«
»Ausgeschlossen!«
Der Priester erbleichte. »Oh
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