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Und stehe auf von den Toten - Roman

Titel: Und stehe auf von den Toten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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sie mitgenommen«, brummte Pepe, dem das offensichtlich gar nicht gefiel. Er wollte sich gerade hinknien, um den geheimnisvollen toten Wolfsmann zu untersuchen, da stand plötzlich eine alte Frau mit weißen langen Haaren und einem riesigen Furunkel auf der Nase im Raum. Prospero meinte sich an sie zu erinnern. Sie sagte etwas, das sie aber nicht verstanden.
    »Ich glaube, sie will ihren Toten«, raunte Prospero. Pepe bückte sich, um demonstrativ die Kleidung des Wolfsmannes aufzuschneiden. Die Alte fiel auf die Knie, jammerte und bettelte. Dabei gestikulierte sie wild.
    »Wenn ich die Alte richtig verstehe, wollen sie uns zufrieden lassen, wenn wir ihnen den Toten geben«, interpretierte Prospero ihre klagenden Laute. Pepe packte den Toten am Kragen des Fells und schleifte ihn zu der Frau. Die pfiff durch ihre Zahnlücke. Zwei Männer, in Felle gekleidet wie die anderen, aber ohne Morgensterne, holten die Leiche ab. Die Alte stand auf, murmelte eine Verwünschung, spuckte in den Raum und ging.
    »Was war das?« fragte Pepe.
    »Wolfsmenschen? Werwölfe? Vampire? Oder einfach
nur verkleidete Leute aus dem Dorf im Tal, die Reisende ausrauben und sich hinter den Spukgeschichten verstecken. Ich weiß es nicht.« Jetzt fiel Prospero auf, dass auch die Wolfskadaver fehlten. Wenn es verkleidete Räuber waren, fragte er sich allerdings, wie sie die Wölfe dazu gebracht hatten, sie anzufallen.
    »Meinst du, wir haben jetzt Ruhe?« Pepe zuckte zur Antwort nur mit den Achseln und lud die Pistole nach, dann verriegelte er erneut die Tür und legte sich wieder hin.
    Prospero blieb bis zum Morgen wach. An Schlaf war für ihn nicht mehr zu denken. Er grübelte über den nächtlichen Kampf statt. Zwar meinte er, die Alte bereits im Dorf gesehen zu haben, doch dort hatte sie ein bisschen seine Sprache gesprochen. Vorhin allerdings schien sie jedes italienische Wort vergessen zu haben. Standen diese Leute unter einem Bann? Waren sie möglicherweise auf ein Dorf voll Untoter gestoßen, die nachts die dunkle Seite ihrer Existenz auslebten? In diesem Gebirge schien alles möglich.
    Irgendwann erhob Prospero sich von seinem improvisierten Lager. Er hüllte sich in seinen Fellmantel, öffnete die Tür und trat auf den Dorfplatz. Alles war ruhig. Am Himmel brachen vorsichtig die ersten Sonnenstrahlen durch die Wolken. Prospero atmete in vollen Zügen die frische Bergluft ein. Die Kälte kratzte in den Lungen und tat ihm dennoch wohl. Er wandte sich um, um Pepe zu wecken, doch der Katalane war bereits lautlos neben ihn getreten.
     
    Nachdem sie schwindelerregende Pässe und steile Gebirgspfade bezwungen hatten, erreichten sie am nächsten Tag einen Bergsporn. Die Dämmerung fiel schnell und ohne Vorwarnung auf sie herab. Vom gegenüberliegenden Höhenzug drohten ihnen die düsteren Mauern einer Burg.
Kurz darauf entdeckten sie im Tal Marburg. Prospero trieb sein Pferd an und schlug den Pfad zur Stadt hinab ein. Er wollte die Visitation der Leiche schnell hinter sich bringen und dann sofort nach Rom zurückkehren, um Antworten auf all die offenen Fragen zu finden, die ihn so quälten und der Rettung Cäcilias im Weg standen.
    Prospero konnte ja nicht ahnen, dass eben diese Antworten in der beschaulichen Stadt hinter dem Fluss nur darauf warteten, von ihm ans Tageslicht gebracht zu werden.

54.
    D er Abstieg dauerte viel länger, als Prospero auf dem Bergsporn vermutet hatte. Sie erreichten das Tal, als der Mond gerade hervorkam und mit silberhellem Schein den Schnee zum Leuchten brachte. Doch Prospero Lambertini, sonst ein aufmerksamer Bebachter und offen für alle Schönheiten von Natur und Kunst, nahm den Reiz der Landschaft gar nicht wahr. Er erfreute sich auch nicht am Anblick des verwunschenen Städtchens, das jenseits des Flusses im Schutze des Bachergebirges vor sich hin träumte. Der Übergang über die Drau erinnerte an eine überlange Zugbrücke, die vom großen Stadttor aus den Fluss überspannte. Geschützt wurde diese Verbindung durch ein trutziges Verteidigungswerk, das der bollwerkartigen Stadt vorgelagert war. Es wirkte wie das Tor zu einer anderen Welt.
    Aus der Entfernung gewahrten sie, dass sich das Tor des Vorwerkes gerade schloss. Sie trieben ihre Pferde an und brüllten, um auf sich aufmerksam zu machen. Der rechte Flügel des Tores blieb stehen und ein Soldat lugte hervor. Als er die beiden Reiter entdeckte, rief er etwas nach hinten und wartete. Prospero Lambertini grüßte den Soldaten und reichte das Schreiben des

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