Und stehe auf von den Toten - Roman
ihr Narren, ihr wisst ja nicht, was ihr tut«, klagte er.
Als die Lehrlinge die Meißel ansetzten, um die Mauer aufzubrechen, wollte der Priester aus der Kirche fliehen. »Haltet ihn!«, befahl Prospero, und ein Soldat versperrte dem Geistlichen den Weg.
»Kommen Sie zu mir!«, wies Prospero ihn an. Widerwillig leistete Heisterbach der Aufforderung Folge.
»Was hat es damit auf sich?«
»Ich darf nicht...«
»Wenn Sie nicht reden, dann lass ich Sie peinlich verhören,
und anschließend begleiten Sie mich nach Rom. Soll sich doch die Suprema mit Ihnen befassen!« Der Priester wankte. In die Fänge der Heiligen Inquisition wollte er nicht geraten, und auch auf die Folter, die Prospero ihm angedroht hatte, war er nicht scharf.
»Die Menschen vergessen, die Kirche nicht. Erzählen Sie, Hochwürden«, bat Prospero jetzt sanft, während die Lehrlinge mühsam die zweite Mauerschicht aufmeißelten.
Stockend fing der Priester zu sprechen an. »Elisabeth von Bartaszoly... die Gräfin... nun, sie war nicht die, für die man sie hielt. Oben auf der Burg trieb sie ihr schändliches Werk, während ihr Mann ahnungslos in der Stadtburg residierte. Die Gräfin hatte sich in einen jungen Mann verliebt, den eigentlich ihre Tochter heiraten sollte. Betrübt musste sie feststellen, dass das Alter seinen Tribut verlangte. Ihre Haut wurde allmählich schlaffer und faltig. Als sie einmal eine Magd aus Wut über deren Ungeschicklichkeit heftig schlug, spritzte Blut aus der Nase des Mädchens auf das Gesicht der Gräfin. Zornig ging sie zu einem Spiegel, um es wegzuwischen, und hielt erstaunt inne.«
In der Kapelle war es still geworden. Selbst die Steinmetze hatten ihre Arbeit unterbrochen. Sie alle lauschten dem Pfarrer mit angehaltenem Atem.
»Die Gräfin war überzeugt, dass die Stelle, die das Jungfrauenblut benetzt hatte, glatter, straffer, jünger geworden war. In ihrem Wahn jubelte sie, denn sie hatte das Mittel zur ewigen Jugend, das Mittel gegen das Alter gefunden. Und so ließ sie junge Mädchen einfangen, die sie dann auf der Burg zur Ader ließ, um in deren Blut zu baden. Um ihr ruchloses Tun zu bemänteln, gab sie vor, sich um die Bildung der Bauerntöchter zu kümmern. Als auch Töchter des Adels, die man Elisabeth anvertraut hatte, plötzlich und
unerwartet verstarben, ging man der Sache nach. Manche sprachen von dreißig, andere behaupteten, sechzig Mädchen habe die blutige Gräfin auf dem Gewissen.«
»Aber wie konnte sie dann seliggesprochen werden?«, entfuhr es Prospero wütend.
»Nicht der Glaube, die Politik versetzt Berge. Elisabeth war die Schwester der Kaiserin. Die Gräfin wurde heimlich hingerichtet, alle, die davon Kenntnis hatten, bei Strafe des Todes zum Schweigen verpflichtet. Und um für alle Zeit diese Ruchlosigkeit zu vertuschen und jede Frage und jede Nachforschung im Keime zu ersticken, pries man ihren religiösen Eifer, lobte ihren unermüdlichen Einsatz für die Erziehung und religiöse Bildung junger Mädchen, gleich welchen Standes. So gerieten ihre Schandtaten in Vergessenheit, und das Licht der tugendhaften Gräfin begann bis nach Rom zu strahlen.«
»Und eines Tages hielt es Papst Innozenz X. für opportun, die Schwester der Kaiserin seligzusprechen, um den Kaiser günstig zu stimmen.« Prospero kochte vor Zorn. »Wie lange dauert das denn noch?«, fuhr er die Steinmetze an, die sogleich ihre Arbeiten wieder aufnahmen. Dann versank er ins Grübeln, denn irgendetwas meldete sich beharrlich aus seinem Unterbewusstsein.
Plötzlich zuckte er zusammen. Jungfrauenblut! Wie damals in Marburg verschwanden in Rom Jungfrauen. Und wieder stand im Mittelpunkt des Geschehens eine Bartaszoly. Das konnte kein Zufall sein - vor allem, da Prospero ohnehin nicht an Zufälle glaubte.
Ein schlimmer Verdacht beschlich ihn. Er wusste jetzt, was er die ganze Zeit übersehen hatte. Er hatte bei dem geheimnisvollen Drahtzieher, bei dem Vampir, immer an einen Mann gedacht, schon weil die Opfer Mädchen waren.
Nie hatte er eine Frau in Betracht gezogen. Aber nicht Fünen, nicht Poelschau, sondern Maria Konstanza von Stamitz aus dem Geschlecht der Bartaszoly war diejenige, die es nach dem Blut der Mädchen verlangte.
Endlich hatten die Handwerker die Doppelmauer über dem Sarg der Gräfin abgetragen. Schwere Mühlsteine beschwerten den Deckel des Sarkophags.
»Da hatte aber jemand sehr viel Angst, dass die Gräfin von den Toten auferstehen könnte«, schlussfolgerte Prospero sarkastisch.
Sie wuchteten die
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