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Und stehe auf von den Toten - Roman

Titel: Und stehe auf von den Toten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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meine Fragen, und das war’s«, versuchte er das Thema zu beenden. Er war plötzlich unendlich müde. Mühlsteine drückten auf seine Lider.
    Deborah lächelte ironisch. »Es ist nie einfach, wenn du Fragen hast. So gut kenne ich dich. Natürlich reizt Davids unabhängiges Wesen die Menschen. Das macht ihn zum idealen Opfer für Klatsch, Tratsch und Verleumdung. Einem stolzen Menschen traut man alles zu, nicht wahr? Stolz gilt doch bei euch Christen als Todsünde?«
    Ihren Vorwurf empfand er als ungerecht. Sie verhielt sich jetzt genauso, wie man es den Frauen gern herabsetzend nachredete, dachte er ärgerlich. Weil ihr die Fakten nicht passten, wechselte sie einfach die Ebene und unterstellte ihm private Motive und persönliche Antipathien, um ihn ins Unrecht zu setzen.
    Aber lag sie damit so falsch? Beurteilte er David von Fünen wirklich objektiv? Auf diese Frage fand er beim besten Willen keine Antwort, zumal er sich nicht belügen wollte. Die ganze Situation war völlig verfahren, und jeder weitere Satz würde die Sache nur noch verschlimmern. Deshalb ging er, statt zu antworten, zur Tür. »Wie gesagt, ich erwarte den Signor David von Fünen morgen um neun Uhr im Palazzo della Cancelleria. Wenn er nicht freiwillig kommt, lasse ich ihn von den Sbirren vorführen. Gute Nacht.«
    Zu gern hätte er Deborah vor dem Mann gewarnt, der mit ihr unter einem Dach wohnte und den sie bald heiraten würde. Aber was konnte er ihm vorwerfen, außer dass er einem fremden Mädchen eine kostbare Garderobe spendiert hatte? Dass er selbst ein ungutes Bauchgefühl hatte und sich Sorgen um Deborah machte, war kein Argument.
Er wollte sich nicht vorwerfen lassen, dass er ihre Hochzeit hintertreiben wollte. Einsam schritt er durch die Nacht und durch den Regen. Vielleicht weinte ja der Himmel um die Mädchen, die geraubt worden waren, und um die, die das Scheusal noch rauben würde, und würde erst wieder die Schleusen schließen, wenn er, Prospero, den Unhold zur Strecke gebracht und dem Spuk ein Ende gesetzt hätte. Sein Herz hingegen weinte um seine Liebe. Was war das nur zwischen ihm und Deborah? Sie hatten sich doch einmal blind vertraut.
    In seinem Zimmer angekommen verzichtete er darauf, eine Kerze anzuzünden. Er wollte sich nur ein paar Minuten aufs Bett setzen, um auszuruhen, bevor er sich ausziehen und waschen würde. Doch kaum berührte sein Gesäß die Bettdecke, da streckte er sich auch schon behaglich aus und fiel in einen tiefen, todesähnlichen Schlaf. Hätte er geträumt, dann gewiss von der Chiesa di San Rocco in dem Kaff, dessen Name ihm immer noch nicht wieder eingefallen war.

29.
    P ünktlich um neun Uhr betrat David von Fünen, frech in strahlend gelben Beinkleidern und einem eleganten Rock von der gleichen Farbe, das Büro des Hilfsauditors. Sicher hatte er eine Kutsche benutzt, denn im Gegensatz zu Prospero, der sich von seiner Wohnung in Trastevere durch den strömenden Regen hierher gequält hatte, waren Hut und Kleidung des Rabbinersohns trocken. Wie aus dem Ei gepellt, dachte Prospero schlecht gelaunt.
    »Kann ich Ihnen also doch helfen?«, fragte David herablassend.
    »Schauen Sie sich die Fundstücke an, und sagen Sie mir, ob Sie die kennen.«
    Von Fünen warf einen auffällig gelangweilten Blick auf den Haarkranz, den Schleier, die Perle. »Für diese Frage musste ich so früh aufstehen? Hätte das nicht noch Zeit gehabt? Nein, ich kenn die Sachen nicht.«
    »Giuseppe Romano hat sie wiedererkannt und mir gesagt, dass Sie dafür bezahlt haben. Wer lügt?«
    Die Augen des Prager Juden funkelten vor Zorn. »Nehmen Sie das zurück! Ich lüge nicht!«
    Prosperos Gesicht zeigte keine Regung. Er war jetzt nur ein Untersuchungsrichter, der einen Verdächtigen vernahm. Deborah hatte mit all dem nichts zu tun, versuchte er sich einzubläuen.
    »Wenn ich Sie recht verstehe, schlagen Sie eine Gegenüberstellung vor?«, fragte er ruhig. Er signalisierte damit seinem Gegenüber, dass er die Geduld für alle Spielchen der Welt aufbringen würde, weil er ihn ja doch im Netz hatte.
    Davids Miene verriet wachsenden Unwillen. »Vielleicht
schläft meine Erinnerung ja noch. Ich kann mir das Zeug ja nochmal anschauen.«
    Er trat an den Tisch heran und begutachtete die Gegenstände provozierend genau. »Wenn es das ist, wofür ich es halte, hat es mich eine hübsche Stange Geld gekostet. Ein Engelsgesicht mit verderbtem Herzen.«
    »Das Engelsgesicht mit dem verderbten Herzen ist verschwunden.«
    »Richtig. Mit der

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