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Und stehe auf von den Toten - Roman

Titel: Und stehe auf von den Toten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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alten Sünder zu holen?«, drang eine brüchige Männerstimme aus der Dunkelheit.
    Das musste der Tischler sein. »Nein, Marcello, es ist noch nicht so weit«, antwortete Prospero. Seine Augen gewöhnten sich allmählich an die Lichtverhältnisse in dem düsteren Winkel. Auf dem Boden saß ein weißbärtiger Mann mit grauen Haaren, die wild und wirr von seinem Kopf hingen. Der in sich zusammengesunkene Körper bot ein Bild des Jammers. Prospero konnte den Fusel riechen, mit dem sich der Tischler zu betäuben suchte.
    »Wie? Ist es etwa nicht Zeit? Habe ich nicht genug gelitten? Was will Gott noch von mir?«
    »Es steht geschrieben: Umgürte wie ein Mann deine Hüften!
    Und ich werde dich fragen, du aber: Antworte mir.« Prospero setzte sich zu ihm auf dem Boden. »Ich arbeite für die Rota. Meine Name ist Prospero Lambertini, und ich will deine Tochter finden.«
    »Ist sie denn nicht weggelaufen?«, lachte der Alte bitter auf.
    »Wer sagt das?«
    »Der Präfekt. Sie ist weggelaufen. >Wie eine läufige Hündin<, hat er mir ins Gesicht gesagt! Da könne er nichts machen. Wenn er auch noch die Herumtreiberinnen suchen müsste... Wie eine läufige Hündin!« Der Tischler geriet immer heftiger in Zorn.
    »Ruhig, ruhig, Marcello. Deine Tochter ist nicht läufig. Sie ist eine gute Tochter!«
    »Warum verhöhnt er dann einen armen Mann, den er doch eigentlich zu schützen hätte?«

    Weil, beantwortete Prospero still die Frage, Cavalcanti sich weder für Mütter noch für Väter und auch nicht für Familien interessierte, sondern sich mit einer groben Beleidigung dem Verlangen der Eltern entziehen wollte, nach ihren Kindern zu suchen. Laut aber antwortete er: »Finden wir erst deine Tochter. Um Cavalcanti kümmern wir uns später.«
    Der Tischler warf ihm einen skeptischen Blick zu. »Sie wollen also tatsächlich nach ihr suchen?«
    »Sonst wäre ich nicht hier. Aber zuerst einmal, wie heißt deine Tochter?«
    »Francesca. Francesca heißt sie.«
    »Ab heute sucht die Rota nach Francesca, guter Mann!«
    »Wehe, wenn Sie sich über mich lustig machen!«
    »Nein, gewiss nicht. Wir sind alle Kinder Gottes und haben ein Anrecht auf Gerechtigkeit. Und dieses göttliche Anrecht darf uns kein Mensch vorenthalten. Aber du musst mir helfen.«
    »Wie?« Der Körper des Alten straffte sich. »Verfügen Sie über mich! Über meine Werkstatt. Über...«
    »Erzähle mir einfach von dem Tag, an dem Francesca entführt worden ist. Lass nichts aus, die kleinste Nebensächlichkeit kann hilfreich sein.«
    »Dieser verfluchte Tag geht mir nicht mehr aus dem Sinn! Immer wieder frage ich mich, welchen Fehler ich begangen habe.«
    »Keinen, mein guter Marcello. Seit wann vermisst du deine Tochter?«
    »Es liegt jetzt eine Woche zurück. An jenem Morgen bat mich ein Diener des Grafen Stamitz in die Via Giulia.«
    »In den Palast der Gesandschaft?«
    »Ja. Ich sollte Regale und Möbel für das Studiolo der
Gräfin bauen. Francesca begleitete mich. Sie hatte doch noch keinen Palast von innen gesehen. Also nahm ich sie mit. Der Auftrag selbst war ein großes Glück. Gut bezahlte Arbeit für ein Jahr. Mir sprang vor Freude das Herz im Leib, als wir uns auf den Rückweg machten, Monsignore. Na ja. Wir waren keine zweihundert Meter gegangen, als in einer Straßenwirtschaft auf der rechten Seite eine heftige Prügelei begann.«
    »Weiter«
    »Irgendetwas schlug derb an meinen Kopf.«
    »Und dann?«
    »Wurde es schwarz vor meinen Augen. Als ich wieder zu mir kam, war sie weg. Ich wollte sie suchen, Leute befragen, wurde aber nur in die Wirtshausschlägerei verwickelt.«
    »Zweihundert Meter vom Palast der Gesandschaft, sagst du?«
    »Ja.«
    Prosperos Gehirn arbeitete fieberhaft. Der Entführer hätte das Mädchen nicht mitten auf der Straße gegen ihren Willen mit sich schleifen können. Das wäre aufgefallen.
    »Hast du eine Kutsche gesehen oder gehört?«
    »Nein.«
    »Kurz vor der Prügelei vielleicht?« Der Tischler schüttelte den Kopf. Er schien sich sicher zu sein. Prospero beschloss, sich den Ort anzusehen.
    Wie hatte der Entführer es bloß geschafft, das Mädchen, das sich gewehrt haben dürfte, von der Straße zu bekommen, ohne Aufsehen zu erregen? Die Schlägerei stellte natürlich eine wirkungsvolle Ablenkung dar. Insofern empfahl es sich, daran zu zweifeln, dass sie zufällig ausgebrochen war. Der Hilfsauditor bat den Tischler, genau darüber nachzudenken, ob ihm jemand bekannt vorgekommen
war, ein Passant auf der Straße, einer von denen,

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