Und stehe auf von den Toten - Roman
Fragen mehr an mich haben, darf ich mich zurückziehen.«
Er wandte sich zum Gehen, drehte sich aber noch einmal um und fügte mit spöttischer Verbeugung hinzu: »Ach ja, und wenn mir noch ein Detail einfällt, melde ich mich selbstverständlich bei Ihnen. Habe die Ehre!«
Er lächelte Prospero schief an und verließ das Arbeitszimmer, die Tür hinter sich zuschlagend. Prospero spürte, dass Deborahs Bräutigam ihm mehr verheimlicht als gesagt hatte. Ob er deshalb der Entführer war, blieb allerdings mehr als zweifelhaft. Aber wer kannte sich schon aus in den Abgründen der menschlichen Seele außer Gott und der Teufel natürlich? Vielleicht war auch das Gegenteil der Fall, und er behandelte ihn zu nachsichtig, weil er Deborahs Vorwurf fürchtete. Er wollte unter allen Umständen objektiv bleiben, doch ging das? Prospero dachte über Cäcilia und Fünen nach. Der junge Prager musste dem Mädchen gefallen und, als er sie vom ersten Modisten Roms so königlich ausstaffieren ließ, ihr Herz erobert haben. Im Teatro Tordinone verlor sich ihre Spur fürs Erste. Die Spur einer Königin. Er fühlte, was sie empfunden hatte, als ihr plötzlich die Welt zu Füßen lag. Welcher Schuft hatte es gewagt, sie da herauszureißen?
Prospero nahm sich die Liste vor, die er von Cavalcanti bekommen hatte. Vielleicht gelang es ihm, eine Topografie der Orte zu erstellen, an denen die Mädchen wohnten.
Auch wenn sie unvollständig war, da er nur die Namen der sieben Vermissten aus San Angelo hatte, ergab das mit etwas Glück einen Anhaltspunkt, ein Muster, das erste in dem Fall. Weitere würden folgen.
In seine Überlegungen platzte Valenti hinein, der inzwischen wieder die Kleidung eines Kurialen trug.
»Sehnsucht?«
»Und wie! Hast du was Neues?«
»Ich habe gestern Stamitz besucht unter dem Vorwand, einen Reitlehrer für meine Schwester zu suchen. Doch die Gräfin kann und will nicht auf Poelschau verzichten. Ich gehe nachher mit ihr reiten.«
»Mit der Gräfin?«
»Ja, dann erfahre ich mehr.«
Prospero schlug den Freund spöttisch auf die Schulter. »Meinst du, du hast die richtige Kleidung für einen Ausritt gewählt?«
»Die perfekte Kleidung«, antwortete Valenti mit hintersinnigem Lächeln. Der Graf war eigentlich schon aus der Tür, steckte aber noch einmal den Kopf herein. »Ach übrigens, Prosperino. Deborahs Bräutigam geht im Palazzo des österreichischen Gesandten ein und aus, als ob er dort zu Hause wäre. Seltsam für den Sohn eines Rabbiners, oder?«
Mit diesen Worten verschwand Valenti, und Prospero schlug zornig mit der Faust auf den Tisch. Diese Information kam ein paar Minuten zu spät. Das hätte er sich doch zu gern vom Signor von Fünen erklären lassen. Der Prager Jude wurde immer undurchsichtiger.
30.
N achdem Prospero Lambertini so ausgiebig wie ergeb nislos das Teatro Tordinone inspiziert hatte, begab er sich zu dem Vater des vermissten Mädchens, dessen Name als Erster auf der Liste stand.
Marcello, der Tischler, wohnte in der Via dei Funari im Schatten der Kirche von Santa Caterina, gegenüber vom Palazzo Caetani. Sich sorgfältig umschauend betrat Prospero Lambertini die im Souterrain liegende Werkstatt des Tischlers. Die Lehrlinge sägten Holz und schnitten Leisten zu, während die Gesellen Särge zusammensetzten. Es war Prospero, als könnte er das helle Lachen eines Mädchens hören, das den Gesellen Wasser in einem Tonkrug brachte. Aber die Vorstellung verflüchtigte sich schnell, und zurück blieben nur die gleichförmigen Arbeitsgeräusche der Männer und Jünglinge. Der Hilfsauditor fragte einen backenbärtigen Gesellen mit schwarzen Telleraugen und struppigem Haar, das bis in den Nacken hinabtanzte und sich dort kringelte, wo sein Meister wäre.
»Bei seiner Tochter«, seufzte der Backenbärtige.
»Wie? Was? Ist seine Tochter zurück?«, rief Prospero erstaunt aus.
»Ich sagte nicht, dass sie bei ihm ist, sondern dass er bei ihr ist, zumindest sein Geist. Wenn sie aber seinen Körper suchen, Monsignore, dann finden Sie ihn dort in der Ecke.« Der Geselle wandte sich wieder seinem Sarg zu und nuschelte etwas in seinen Bart, das ungefähr wie: »Was für ein Jammer« klang. »Wenn das so weitergeht, wird das hier sein Sarg«, fügte er bitter hinzu und blickte auf den Holzkasten, den er gerade zusammensetzte. Ohne zu antworten schritt
Prospero in Richtung der finstersten Ecke der Werkstatt. Er fühlte, wie sich zwei glühende Augen auf ihn richteten.
»Schickt Sie Gott, mich
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