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Und stehe auf von den Toten - Roman

Titel: Und stehe auf von den Toten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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links ein Durchgang zum Fluss.«
    »Besten Dank, Freund!« Prospero lächelte. Dass er da nicht gleich drauf gekommen war. Natürlich. Die Mauer der Via Giulia zum Tiber hin besaß dutzende Tore, durch die Händler und Fischer vom Fluss aus die Straße erreichen konnten. Sie hatten Marcello niedergeschlagen und seine Tochter dann zum Tiber gezerrt und mit dem Boot fortgeschafft.

    Prospero lief die Treppen hinunter, wandte sich nach links und stand vor dem Durchgang. Er schritt durch den Bogen, sah sich aber gezwungen, weitere Nachforschungen einzustellen, denn der Tiber war durch den ständigen Regen bereits so weit angeschwollen, dass er an manchen Stellen über die Ufer getreten war. An dieser Stelle neben dem Wirtshaus reichte das Wasser schon bis zum Durchgang. Der Hilfsauditor sah nur noch schmutziges Graugelb, in dem wie in Aquarellen gezeichnet die Silhouetten von Häusern und Kirchen flirrten.
    Mit dem Blick auf den Tiber, der inzwischen schon wie ein kleines Meer wirkte, kam ihm ein Gedanke. Lag das Teatro Tordinone, von wo Cäcilia spurlos verschwunden war, nicht auch unmittelbar am Fluss?

31.
    W enn er eine Femme fatale erwartet hatte - die in einen weiblichen Körper gefahrene leibhaftige Verruchtheit -, dann befand er sich eindeutig auf dem Holzweg. Die Gräfin kam kichernd und glucksend wie ein Backfisch die Treppe heruntergesprungen. Sie trug ein Kleid aus braunem Leder und ein halblanges Cape über den Schultern, dazu einen schwarzen Hut mit Fasanenfeder, der schräg auf dem Kopf saß. Wie ein Mädchen bei ihrem ersten Rendezvous, schoss es ihm durch den Kopf.
    »Ah, Valenti. Ich darf Sie doch so nennen?« Sie stand vor ihm und hielt ihm die Hand hin.
    »Aber natürlich.« Er hauchte einen formvollendeten Kuss auf ihren Handrücken.
    »Sie scheuen das Wetter nicht. Ein echter Mann, wenngleich in Priesterkleidern.«
    Hörte er da eine frivole Spitze oder leises Bedauern heraus? Als hätte sie gar nichts gesagt, lächelte sie ihn jetzt vollkommen unschuldig an. Nein, er konnte beim besten Willen keine Zweideutigkeit entdecken.
    »Man muss ein echter Mann sein, wenn man Priester sein will«, hielt er ernst gegen. Sie schlug sittsam die Augen nieder. »Wohl gesprochen. Wissen Sie, ich habe noch das Vergnügen gehabt, Fra Marco d’Aviano persönlich kennenzulernen.«
    »Den berühmten Karmeliter-Prediger?«
    »Ja. Seine Reden, Wort für Wort, und die Truppen des Kaisers, Bataillon für Bataillon, haben die Türken vor Wien vertrieben.«
    »Er war sicher ein beeindruckender Mann.«

    »Oh ja«, schmunzelte die Gräfin. »Wissen Sie was? Sie erinnern mich an ihn.«
    Erschrocken fuhr sich Valenti mit der rechten Hand durch seine dichten Haare, als wollte er prüfen, ob sie ihm plötzlich ausgefallen waren, und schaute sie fragend an. Reines Vergnügen, das er zunächst für Spott hielt, explodierte in ihren Augen. Ihr Lachen klang hell und ansteckend im ganzen Vestibül wieder. Sie berührte, immer noch um Fassung ringend und mit Tränen der Heiterkeit in den Augen, entschuldigend seinen rechten Unterarm. »Nein, nein, mon cher, nicht vom Aussehen. Der Mann hatte einen finsteren Vollbart und eine unübersehbare Glatze und kleine Mäuseaugen. Schön war er wahrlich nicht. Das Gegenteil von Ihnen. Nein, Graf, Sie ähneln ihm in anderer Hinsicht. Sie haben das gleiche Feuer in den Augen wie er!«
    Wieder hatte sie ihn an der Nase herumgeführt. Seine Ohren begannen zu glühen, doch der dichte Haarschopf verbarg Gott sei Dank ihre Röte.
    Sie traten scherzend in den Innenhof. Dort wartete bereits Ignaz von Poelschau mit drei aufgezäumten Pferden, eines davon mit einem Damensattel. Valenti bemerkte, dass ihn der Reitlehrer kühl musterte. Wie einen Rivalen - da kann der Ausritt nur vergnüglich werden, dachte er ironisch. Doch die Gräfin hegte andere Vorstellungen. Sie wandte sich liebenswürdig an ihren Bediensteten. »Mein lieber, guter Poelschau, ruhen Sie sich heute einmal aus. Sie haben es sich wahrlich verdient.« Valenti registrierte das Fünkchen Spott, das kurz in ihrem Blick aufloderte. »Der Graf und ich reiten allein aus«, fügte sie sachlich hinzu. Valenti hatte das Gefühl, dass in ihrer Stimme eine kleine Boshaftigkeit mitschwang, ein Vergnügen, den anderen zu
piesacken. Offensichtlich wusste sie nur zu gut, wo sie die kleinen Spitzen anzusetzen hatte, denn die Augen des Reitlehrers verengten sich, und sein Blick wurde starr. Doch bevor Poelschau etwas erwidern konnte, beugte sie sich zu ihm

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