Und stehe auf von den Toten - Roman
wiederholte dieser mechanisch.
»Ja, vor allem welche besonderen Wirkungen ihm zugeschrieben werden. Vampire ernähren sich von Blut, so viel wissen wir. Aber was hat es mit dem Jungfrauenblut auf sich, wozu kann es dienen? Vielleicht wird es bei satanischen Ritualen eingesetzt, beispielsweise zur Beschwörung von Beelzebub oder Azazel oder Pazuzu. Was weiß denn ich? Und wie immer, es eilt.«
Prospero hatte sich nichts Böses dabei gedacht, aber dieses eine Wort ließ Vellonis Kopf rot anschwellen. »Es eilt? Ja, und wie es eilt! Jagen wir endlich diesen verfluchten Blutsäufer!«, brüllte der Philologe. Zum ersten Mal in den sechs Jahren, in denen sie nun schon befreundet waren, sah Prospero den sanftmütigen Bibliothekar wütend.
»Es ist noch zu früh, um sich auf eine Hypothese festzulegen«, sprach er begütigend auf den Freund ein.
»Für dich mag es ja zu früh sein, aber für Cäcilia vielleicht schon zu spät. Ich sag dir, wen Jungfrauenblut magisch anzieht: Vampire. Lass uns diese Ungeheuer endlich zur Strecke bringen! Ich will nicht, dass meine Schwester zu einer Untoten wird!« Velloni zitterte jetzt heftig am ganzen Leib. Seine Augen indes loderten, als hätte ein Fieber von ihm Besitz ergriffen.
»Wie willst du sie denn jagen?«, fragte Prospero sanft.
»Du bist doch der große Ermittler! Aber du schleichst ja nur feige um die Wahrheit herum. Und soll ich dir sagen, weshalb? - Weil du Angst hast. Und du dich am liebsten verkriechen würdest. Dann verkriech dich doch! Los! Suche ich sie eben allein. Am Ende hat man nur sich!«
Die letzten Worte trafen Prospero mitten ins Herz. Velloni straffte die Schultern und wandte sich zum Gehen. Doch Prospero packte ihn am Arm und sah ihn eindringlich an. »Ich werde der Vampirspur nachgehen. Ich gebe zu, die Vorstellung, dass ein Vampir in Rom Menschen anfällt, bereitet mir Angst. Große Angst sogar. Aber wenn wir uns in diese Theorie verbeißen und uns irren sollten, dann hätten wir viel Zeit verloren. Deshalb lass uns getrennt marschieren. Ich folge der Hypothese, dass wir es mit einem Untoten zu tun haben, der sich von Blut ernährt, und du prüfst, ob noch andere Erklärungen in Betracht kommen. Abgemacht?«
Velloni hatte Prosperos Blick kurz erwidert, bevor seine Augen einen leeren Ausdruck annahmen und er schließlich durch ihn hindurchzuschauen schien. »Das Blut, das viele Blut, die armen toten Mädchen. Riechst du es? Dieser Gestank, überall ist er, der Totengestank. Wir werden
ihn nicht mehr los, Prosperino, unser ganzes Leben wird er uns begleiten...«
Wie wirr und doch wie wahr zugleich der Freund redete, dachte Prospero, denn der Geruch und die Bilder würden sie tatsächlich ein ganzes Leben nicht mehr loslassen. So glaubte auch er. Das wusch keine Seife und keine Zeit ab. Jetzt begriff er, dass der Philologe, der so tapfer durchgehalten hatte, das ganze Grauen in der Morgue wie ein Schwamm aufgesogen hatte, ohne sich damit auseinanderzusetzen. Und nun waren die unverarbeiteten Eindrücke in der engen Hülle seines Körpers und seines Geistes explodiert.
»Prospero, werden wir Cäcilia finden?«, fragte er leise.
»Ja.«
»Werden wir sie etwa so finden?« Er deutete mit dem Kopf hinter sich in Richtung Universität, in Richtung Morgue. »Tot und verunstaltet wie die anderen Mädchen?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Prospero wahrheitsgemäß. »Aber lass uns alles tun, damit es nicht so kommt. Und nun geh und befrage deine Quellen. Wir brauchen alle Hinweise, die wir kriegen können.«
Wenig später trat Prospero Caprara in dessen komfortablem Arbeitszimmer in der Cancelleria gegenüber.
»Wie siehst du denn aus?«, fragte der Auditor seinen Schützling.
Der Richter hörte sich Prosperos Bericht über die jüngsten Ereignisse an, ohne eine Zwischenfrage zu stellen. Seine freundliche Miene verfinsterte sich indessen zunehmend.
»Das ist ja ganz schön starker Tobak, lieber Landsmann«, fasste er schließlich zusammen. »Aber auch ich war nicht
untätig. Ich weiß jetzt, warum der Papst in der Klemme steckt, und ehrlich gesagt, ich würde um alles Geld der Welt nicht mit ihm tauschen wollen.« Und dann begann er, seinen Assistenten in die Geheimnisse des großen Spiels mit Namen Politik einzuweihen.
42.
D ie scharfe Klinge seines Gegners näherte sich Valenti bedrohlich. Doch Gefahr kühlte sein erhitztes Blut ab. Aus dem Augenwinkel entdeckte er auf dem Rand eines Zubers ein nasses Laken. Schnell griff er danach, nahm
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