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Und trotzdem ist es Liebe

Und trotzdem ist es Liebe

Titel: Und trotzdem ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Giffin
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aber aufmerksam von ihr.»
    «Ja. Na ja», sagte Ben, «nicht weiter wichtig. Hab’s nur im Interesse vorbehaltloser Offenheit gesagt.»
    So ist Ben: direkt und ehrlich. Deshalb bin ich sicher, dass er auch aus unserem Lunch-Date kein Geheimnis gemacht hat.
    Genau – Tucker sagt: «Und? Wie geht’s Ihnen jetzt so, Claudia?»
    Ihre Worte klingen ganz unschuldig, aber in ihrem Tonfall liegt ein Hauch von Herablassung und Mitleid. Außerdem macht sie auf sehr unterschwellige Weise einen Besitzanspruch auf ihren Mann geltend. Sie benimmt sich genau so, wie ich es getan hätte, wenn mir in meiner ersten Zeit mit Ben plötzlich Nicole über den Weg gelaufen wäre. Sie ist freundlich und zurückhaltend, aber sie lässt keinen Zweifel daran, wer die Situation in der Hand hat.
    «Gut. Und Ihnen?», frage ich knapp und förmlich. Ich werde mich nicht einschüchtern lassen. Ich war mit Ben verheiratet . Marathon hin, Marathon her, sie hat sich das Revier, das sie da verteidigt, noch nicht verdient .
    «Mir geht’s großartig», verkündet sie wohlig. Sie könnte ruhig noch hinzufügen: Und du bist überhaupt keine Gefahr für mich .
    Mein Unbehagen verwandelt sich in Ärger, als ich ihr «großartig» verarbeite. Kein Zweifel: «Großartig» ist besser als «gut». Dieses Biest muss mich einfach übertreffen. Jeder Schatten eines Zweifels, den ich noch hatte, ist verschwunden. Ich möchte sie ohrfeigen oder ihr kaltes Wasser ins Gesicht schleudern. Irgendetwas tun, das die Leute nur in Sitcoms tun.
    Und das alles, bevor sie die Hand hebt, um diesen gottverdammten Pferdeschwanz von der linken auf die rechte Schulter zu verlagern, und ich ihren Ring sehe.
    Ihren Diamantring .
    Den Diamantring an ihrem linken Ringfinger.
    Ich bin nicht sicher, ob sie ihn absichtlich hat aufblitzen lassen, aber ich bin ganz sicher, sie hat gesehen, dass ich ihn bemerkt habe. Deshalb bleibt mir jetzt nichts anderes übrig, als darauf einzugehen. Ich hole tief Luft und biete jedes Fünkchen meiner Willenskraft auf, um in die unbestimmte Richtung ihrer Hand zu deuten. «Glückwunsch.»
    Sie lächelt triumphierend und wirft einen Blick auf ihre Hand, bevor sie sie in die Kitteltasche schiebt. Dann sagt sie errötend: «Danke, Claudia. Es … kam sehr plötzlich.»
    «Ja … äh … gratuliere.» Ich bin am Boden zerstört, und mir ist so schwindlig, dass ich kaum noch geradeaus schauen, geschweige denn mich bewegen kann.
    Tucker fängt an, sich nach meinen Plänen für Thanksgiving zu erkundigen, aber ich unterbreche sie und sage, wir müssten jetzt wirklich nach Hause. Ich nehme Zoe bei der Hand und gehe mit ihr hinaus. Wir steigen in ein Taxi, und ich gebe dem Fahrer unsere Adresse. Ich sehe zu, wie die Häuserblocks nebelhaft an meinem Fenster vorbeiziehen, und ich weiß genau, dass dieser Tag für alle Zeit der schlimmste Tag meines ganzen Lebens sein wird. Es wird nie wieder so etwas wie eine Perspektive geben. Die Zeit wird es niemals heilen. Von diesem Augenblick im Krankenhaus werde ich für immer gezeichnet sein. Er wird ein Teil meiner selbst werden. Ja, er ist es schon. Ich versuche mich auf das Ein- und Ausatmen zu konzentrieren; ich kämpfe mit den Tränen, aber ich verliere den Kampf. Ich spüre, wie der Schmerz unbeherrschbar in meiner Kehle heraufsteigt. Und irgendwo zwischen dem Krankenhaus auf der East Side und dem Apartment meiner besten Freundin breche ich vor den Augen meiner sechsjährigen Nichte zusammen.
    «Was hast du, Tante Claudia?» Zoes Stimme zittert vor Schrecken. Sie hat mich noch nie weinen sehen. «Warum bist du traurig?»
    «Weil mir das Herz wehtut», sage ich und wische mir die Tränen mit dem Handrücken weg.
    «Warum? Warum tut dir das Herz weh?» Jetzt ist sie selbst den Tränen nahe.
    Ich kann ihr nicht antworten, und so stellt sie mir die Frage immer wieder. Immer wieder.
    Schließlich sage ich: «Weil ich Onkel Ben liebe.»
    «Und warum macht dich das traurig?» Ihre kleine Hand umfasst meine.
    «Weil, Zoe …» Ich bin zu niedergeschlagen, um die Wahrheit zu schönen oder um meine Nichte zu beschützen. «Weil Ben eine andere heiraten wird.»
    «Dieses Doktormädchen ?» Entsetzt reißt sie die Augen auf.
    Wieder kommen mir die Tränen. Ich nicke und flüstere: «Ja.»

    Den Rest des Nachmittags verbringe ich damit, Zoe eine der traurigsten Tatsachen im Leben und in der Liebe zu erklären: dass man manchmal den richtigen Augenblick verpasst. Manchmal erkennst du den Kern einer Sache viel zu spät.

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