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Und trotzdem ist es Liebe

Und trotzdem ist es Liebe

Titel: Und trotzdem ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Giffin
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ihrem Haaransatz. Ihr Haar ist verfilzt und klebrig vom Blut. Irgendwann fällt mir ein, dass ich ihre Mütze auf dem Gehweg habe liegenlassen, und wieder verspüre ich einen schuldbewussten Stich. Erst lasse ich so etwas passieren, und dann verliere ich auch noch ihre Lieblingsmütze. Ich kann mir vorstellen, was Maura denken wird, wenn ich ihr das alles erzähle: Ich weiß ja, dass du Ben liebst, aber bist du sicher, dass du dem Dasein als Mutter gewachsen bist? Ich rufe sie an – den Festnetzanschluss und ihr Handy – und bin erleichtert, als ich beide Male nur den Anrufbeantworter erreiche. Ich bin noch nicht bereit für dieses Geständnis, und außerdem möchte ich meine Schwester nicht aufregen; sie hat jetzt schon genug am Hals. Ich versuche, Zoe zu trösten, indem ich wiederhole, was der Mann gesagt hat. Ich sage ihr, das wird schon wieder. «Ich will zu meiner Mommy» – das ist alles, was sie sagt.

    Als wir am Krankenhaus ankommen, blutet es weniger stark, und ich mache mir keine Sorgen wegen einer Querschnittslähmung oder eines Hirnschadens mehr. Trotzdem wird ihr Name beinahe sofort aufgerufen, nachdem wir uns bei der Aufnahme angemeldet haben – ein auffallender Kontrast zu meinem Ausflug in die Notaufnahme, als Ben sich beim Flag Football den Knöchel gebrochen hatte und wir sieben Stunden im Wartezimmer sitzen mussten. Oder als ich verdorbenes Sushi gegessen hatte und wirklich dachte, ich sterbe vor Magenschmerzen; damals musste ich trotzdem warten, bis sie so gut wie jedes Gang-Mitglied von New York und eine Flotte von Hell’s Angels verarztet hatten, ehe sie sich um mich kümmerten.
    Deshalb bin ich ungeheuer erleichtert, weil sie Zoe vorziehen und wir in ein Untersuchungszimmer gebracht werden. Eine Schwester hilft ihr, ein Krankenhaushemd anzuziehen, und nimmt ihre Daten auf. Einen Augenblick später reißt ein gutgelaunter Assistenzarzt den Vorhang vor unserem Abteil zur Seite und stellt sich als Dr.   Steve vor. Dr.   Steve ist eine Mischung aus Doogie Howser und George Clooney in Emergency Room . Er ist verstörend jugendlich, aber dennoch selbstsicher und charismatisch. Ich merke sofort, dass er Zoe gefällt, und es gelingt ihm, sie zu beruhigen, während er sich den Unfall und die Symptome schildern lässt, wobei er geschickt ein paar Fragen nach der Schule und ihren Hobbys einflicht. Nach einer kurzen Untersuchung sieht er Zoe an und sagt: «Okay, Zoe, du bist ziemlich böse hingefallen, und deshalb machen wir Folgendes … Wir machen schnell eine Röntgenaufnahme von deinem Kopf, und dann nähen wir die Wunde hinter deinem Ohr mit ein paar Stichen.»
    Zoe rastet wieder aus, als er vom Nähen spricht (sie müssen sich ein neues Wort dafür ausdenken – welchem Kind ist schon wohl bei der Vorstellung, dass seine Haut mit einer Nadel zusammengenäht wird?), aber Dr.   Steve zeigt seine Grübchen und überzeugt sie davon, dass seine Stiche erstens nicht wehtun und dass er außerdem einen pinkfarbenen Faden benutzen wird, der sich in ein paar Tagen wie durch Zauberei auflöst. Zoe ist dabei.
    «Wozu die Röntgenaufnahme?», frage ich; noch immer habe ich ein bisschen Angst vor einer ernsthaften Kopfverletzung.
    «Nur zur Sicherheit.» Dr.   Steve lässt seine Grübchen auf mich los. «Ich wäre sehr überrascht, wenn mehr als eine oberflächliche Platzwunde vorläge.»
    Ich nicke und bedanke mich bei ihm. Dr.   Steve geht, um das Röntgen zu veranlassen und seinen pinkfarbenen Faden zu holen, und ich hole ein Blatt Papier aus meiner Handtasche und starte eine aufmunternde Runde Tic-Tac-Toe.
    Zwei minimal dramatische Stunden später bestätigen die Röntgenaufnahmen Dr.   Steves Diagnose, und Zoe ist so gut wie neu – mit fünf pinkfarbenen Stichen hinterm Ohr – und mächtig verknallt in ihren neuen Doktor. Er schenkt ihr einen Lolli – die gute Sorte mit Kaugummifüllung – und sagt: «Also, Zoe – ich hab dich sehr gern, weißt du, aber ich hoffe wirklich, ich sehe dich hier nie wieder.»
    Sie lächelt und wird ungewöhnlich schüchtern.
    «Was sagst du, Zoe? Versprichst du mir, dass du schnellen Skatern in Zukunft aus dem Weg gehst?»
    Zoe sagt, sie will es versuchen, und er besiegelt den Pakt mit Handschlag.
    Ich frage mich, ob Dr.   Steve den Umgang mit kranken Kindern in einem Kurs gelernt hat oder ob ihm das alles ganz natürlich von der Hand geht. Vielleicht erfordert so etwas Übung. Vielleicht könnte ich einen Ratgeber auftreiben: Der Umgang mit medizinischen

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