Und trotzdem ist es Liebe
Ich sage ihr, dass es ein großer Fehler war, mich von Ben scheiden zu lassen. Ich wollte, dass mein Leben eine bestimmte Form hatte, und als Ben in diesen Plan nicht mehr passte, habe ich ihn aufgegeben. Und jetzt ist der Mann, an dem mir am allermeisten liegt, nicht mehr da. Ben gehört jetzt einer anderen. Ben gehört Tucker. Dem Doktormädchen.
Vielleicht begreift Zoe wirklich, was ich ihr da erzähle, aber zumindest tut sie so, als verstünde sie es. Ihr Gesichtsausdruck wird beinahe komisch philosophisch. Ich schäme mich ein bisschen, weil ich so viel bei einem Kind ablade, das eine Kopfverletzung hat und dessen Eltern kurz vor der Scheidung stehen. Aber ich kann nicht anders. Ihre Anwesenheit und ihre unschuldigen Kommentare haben etwas Linderndes.
«Sei einfach glücklich, Tante Claudia», sagt sie irgendwann. Als wäre es das Einfachste auf der Welt.
Ich lächle. «Ich werde mich bemühen.»
Aber ich denke: Niemals. Ich werde nie wieder glücklich sein .
Jess und Michael kommen kurze Zeit später nach Hause. Ich mache Zoe und Michael miteinander bekannt, und als die beiden sich die Hand schütteln, bemerkt Jess meine rotgeränderten Augen.
«Was ist los?» Sie formt die Worte lautlos über Zoes Kopf hinweg. Sie nimmt an, ich habe meine Nichte heute vor allem beschützt.
«Das Schlimmste, was du dir vorstellen kannst.»
Jess überlegt eine Sekunde lang und trifft dann fast ins Schwarze. «Ben und Tucker sind verheiratet?»
«Fast getroffen», sage ich. «Verlobt?» Sie ist entsetzt.
Ich nicke grimmig.
Sie klappt den Mund auf, und Michael platzt heraus: «Fuck, das glaub ich nicht!»
Jess funkelt ihn an und zeigt auf Zoe. Ich weiß, Maura wird einen Böse-Wörter-Bericht erhalten, aber im Gesamtbild dieses Tages wird ein kleines F-Wort, das uns durchgerutscht ist, nicht besonders schädlich sein.
«Sorry», sagt Michael und zieht eine Grimasse.
«Ich habe das schon mal gehört», sagt Zoe und verschränkt die Arme. Sie genießt ihre Rolle in diesem Erwachsenendrama sichtlich.
«Hat er dich angerufen?», fragt Jess. «Oder hat Annie es dir erzählt?»
«Nein.» Ich lache bitter. «Wir sind Tucker in der Unfallambulanz begegnet.»
«In der Unfallambulanz?», wiederholt Jess. Sie und Michael sind platt, als Zoe und ich ihnen die blutrünstigen Details ihres Unfalls und des Besuchs im Krankenhaus schildern. Die beiden bewundern Zoes Naht und loben sie für ihre Tapferkeit, und dann kommt Jess sofort zur Sache: Wie sah der Ring aus? Haben sie schon einen Termin festgesetzt? Glaubst du, Tucker könnte schwanger sein?
Dreimal hintereinander zucke ich die Achseln, und auf ihre letzte Frage antworte ich: «Darauf kommt es jetzt sowieso nicht mehr an.»
«O doch», sagt Jess. «Vorbei ist es erst, wenn es vorbei ist.»
«Wohl gesprochen, Schwester», sagt Michael und legt ihr den Arm um die Schultern.
Ich schaue das selige Paar in den Wallungen der ersten Leidenschaft an – zwei Menschen, die sich nicht vorstellen können, etwas anderes zu empfinden als das, was sie in diesem Moment empfinden.
«Oh, es ist vorbei, Leute», sage ich und werfe einen Blick auf meine Partnerin, damit sie es bestätigt. «Stimmt’s, Zoe?»
Sie nickt düster. «Ja. Das Timing war total daneben.»
Jess und Michael gehen zusammen essen, und Zoe und ich machen es uns auf der Couch bequem und sehen uns das Original von Die Vermählung ihrer Eltern geben bekannt mit Hayley Mills an. Es war einer meiner Lieblingsfilme, als ich klein war, und meine vorbildliche Nichte Zoe sagt mehr als einmal, dass sie diese «altmodische» Version auch besser findet als die mit Lindsay Lohan.
Das Telefon klingelt, und ich werfe einen Blick auf das Display. Es ist Maura. Bei dem Gedanken an ein weiteres Familiendrama krampft sich mir das Herz zusammen. Und abgesehen von allem, was sie mir zu berichten haben könnte, graut mir davor, ihr von Zoes Unfall zu erzählen.
«Das ist deine Mom», sage ich. Ich drücke auf die Pausentaste an der Fernbedienung und nehme den Anruf an.
«Hey, Maura», sage ich behutsam. Ich werde meine Fragen verschlüsseln müssen. Zoe sitzt neben mir.
«Ich will mit Mommy sprechen!», heult Zoe mit weinerlicher Babystimme.
«Augenblick, Zoe», sage ich und frage Maura, wie es gehe. «Gut», sagt Maura, und sie klingt energischer als erwartet.
«Was ist denn passiert? Wie geht’s dir?»
«Mir geht’s gut, aber ich kann im Moment nicht reden. Er ist in der Küche», sagt sie leise.
«Kannst du es kurz
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