Und trotzdem ist es Liebe
wie ich bin.
Stattdessen sagt er mit eiskalter Stimme: «Auf Wiedersehen, Claudia.»
Ich schaue ihm in die Augen und sehe, dass das Ende da ist. Also bleibt mir nichts weiter übrig, als mich aufzurichten, die Tür zu öffnen und zu gehen.
Vier
Wenn man seinen Mann in den frühen Morgenstunden verlässt, hat das einen einzigen Vorteil: Man braucht nur eine Nanosekunde, um ein Taxi zu kriegen. Tatsächlich kann ich mir sogar eins von zweien aussuchen, die beide an der Ecke 73. Straße und Columbus Avenue auf mich zusteuern. Die Fahrer haben wahrscheinlich meinen Koffer gesehen und rechnen mit einer fetten Fuhre zum Flughafen. Beim Einsteigen sage ich deshalb: «Hi. Tut mir leid, aber ich will nur zur Fifth Avenue.» Dann platze ich heraus: «Ich hatte gerade einen Riesenstreit mit meinem Mann. Ich glaube, wir lassen uns scheiden.»
Es hat Ben immer amüsiert, wie viel ich mit Taxifahrern schwatze. Er sagt, das sei sehr touristenmäßig und es sei sonst gar nicht meine Art, so offenherzig zu sein. In beiden Punkten hat er recht, aber aus irgendwelchen Gründen kann ich im Taxi einfach nicht anders.
Mein Fahrer sieht mich kurz im Rückspiegel an. Ich kann nur seine Augen sehen, und das ist schade, denn ich finde immer, dass der Mund eines Menschen sehr viel mehr von dem offenbart, was er denkt. Entweder versteht der Fahrer nicht so viel Englisch, oder er ist kolossal unterbelichtet in der Abteilung Mitgefühl, denn er sagt nur: «Wohin auf der Fifth?»
«Ecke 12. Straße. East Side.» Mein Blick wandert nach unten zu seinem Namen auf der Rückenlehne. Er heißt Mohammed Muhammed. Ich kämpfe mit den Tränen, als mir einfällt, wie Ben mir einmal gesagt hat, die Chance, einen Taxifahrer zu erwischen, der mit Vor- oder mit Nachnamen Mohammed oder Muhammed heißt, sei ungefähr genauso groß wie beim Münzenwerfen: fifty-fifty. Natürlich war das maßlos übertrieben, aber seit jenem Abend werfen wir immer einen Blick auf das Schild und lächeln, wenn es ein Treffer ist. Das scheint mindestens einmal in der Woche zu passieren, aber dass es gleich doppelt stimmt, erlebe ich jetzt zum ersten Mal. Ich habe plötzlich den unwiderstehlichen Drang, umzukehren und nach Hause zu fahren. Ich will Bens Gesicht berühren, seine Wangenknochen und Augenlider küssen und ihm sagen, das Namensschild dieses Mannes sei sicher ein Zeichen, das uns sagt, dass wir die Sache in Ordnung bringen und irgendwie gemeinsam weiterkommen müssen.
Stattdessen wühle ich in der Handtasche nach meinem Telefon, damit ich Jess sagen kann, dass ich unterwegs bin. Dann fällt mir ein, dass ich es am Ladegerät in der Küche gelassen habe. Scheiße , flüstere ich, als mir klar wird, dass sie den Summer vielleicht nicht hören wird, wenn der Portier ihr sagen will, dass ich da bin. Das könnte ein Problem werden; Jess hat einen gesunden Schlaf. Flüchtig erwäge ich, geradewegs zu einem Hotel in Midtown zu fahren, aber ich fürchte, ich könnte komplett auseinanderfallen, wenn ich allein bin. Also bleibe ich auf meinem Kurs.
Zum Glück hört Jess den Summer, und wenige Minuten später sitze ich zusammengerollt auf ihrer Couch und erzähle ihr von meinem Streit mit Ben, während sie uns Zimttoast und eine große Kanne Kaffee macht – womit ihre (und meine) Fähigkeiten in der Küche weitgehend ausgeschöpft sind. Sie bringt uns beiden eine Tasse, schwarz für mich, eine Menge Zucker für sich, und sagt, es sei Zeit für ein ernsthaftes Gespräch.
Dann zögert sie, ehe sie hinzufügt: «Und die Überschrift dieses Gesprächs lautet: ‹Warum will Claudia keine Kinder?›» Sie wirft mir einen betretenen Blick zu.
«Ach komm. Nicht du auch noch», sage ich.
Sie nickt wie eine gestrenge Lehrerin und sagt: «Ich will nur noch einmal deine Gründe unter die Lupe nehmen.»
«Du kennst meine Gründe schon.»
«Schön, aber ich will sie nochmal hören. Tu so, als wäre ich deine Therapeutin.» Sie setzt sich aufrecht hin, schlägt die Beine übereinander und hält ihre Tasse mit ausgestrecktem kleinem Finger. «Und das wäre unsere erste Sitzung.»
«Jetzt brauche ich also eine Therapeutin, weil ich keine Kinder haben will?» Ich merke, dass ich unversehens in die Defensive gehe – ein allzu vertrautes Gefühl in letzter Zeit.
Jess schüttelt den Kopf. «Nein. Nicht weil du keine Kinder haben willst, sondern weil deine Ehe in Schwierigkeiten ist. Also los. Ihre Gründe, Ma’am?»
«Warum brauche ich Gründe ? Wenn eine Frau beschließt, ein Kind
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