Und trotzdem ist es Liebe
nicht gewöhnt.
«Da können Sie niemals sicher sein», behauptet sie.
«Ich bin verdammt sicher», sage ich. «Es sei denn, er hätte zufällig schon eine Mutter für sein Baby gefunden.»
Sie wirft mir einen langen Blick zu, der mir sagt: Genau das hat er im Sinn . Dann leckt sie an ihrem Daumen und schlägt eine neue Seite in ihrem Notizbuch auf. Sie kündigt an, auf der Grundlage dessen, was ich ihr bei der ersten Besprechung erzählt hätte, würden wir die Scheidung wegen «indirekten böslichen Verlassens» beantragen. Dieser Terminus macht mich traurig – wegen seines formellen Klangs ebenso wie wegen seiner tatsächlichen Bedeutung.
Ich nicke, als Nina wie im Rausch von unseren gemeinsamen Vermögenswerten redet und mir rät, aufs Ganze zu gehen und richtig was zu fordern. Sie gestikuliert viel, und ihre dicken, emaillierten Armreife rutschen an ihrem langen, schlanken Unterarm auf und ab. Ich starre sie ausdruckslos an und sage, dass Ben und ich nicht allzu viel aufzuteilen haben. «Wir sind ja erst seit drei Jahren verheiratet. Und wir wohnen zur Miete, wissen Sie?» Ich bin jetzt dankbar dafür, dass Ben und ich uns nie in das New Yorker Immobiliengeschäft gestürzt haben.
«Okay, okay. Aber wie steht’s mit Autos? Möbeln? Teppichen? Kunstgegenständen? Kristall? Aktien? Timesharing-Ferienhaus?» Sie dreht die Handflächen nach oben. Ihr Botox-Gesicht will die Stirn runzeln, schafft es aber nicht ganz.
Ich zucke die Achseln. «Wir haben einen 99er Honda Civic. Eine Schrottkarre.»
Ihr entnervter Blick sagt mir, dass ich mir nicht genug Mühe gebe.
«Ich werd’s mir überlegen», verspreche ich.
«Gut. Gut.» Sie schaut auf die Uhr. «Nach meiner Erfahrung werden Sie es nur bereuen, wenn Sie zu wenig fordern.»
«M-hm», sage ich.
«Also, schicken Sie mir eine E-Mail rüber – mit allem, was Ihnen noch einfällt. Ich werde eine Liste aller Vermögenswerte in Anhang A zur Scheidungsvereinbarung einfügen.»
Ich habe unser «Zeug» nie als Vermögenswerte betrachtet. Ich habe nie daran gedacht, dass Ben und ich einmal etwas aufteilen würden; ich dachte, wir würden immer alles miteinander teilen. Trotzdem nehme ich mir vor, meine Hausaufgabe ernst zu nehmen. Ich rufe meinen Demnächst-Exmann an und sage ihm, dass ich das Apartment heute Abend für ein paar Stunden brauche. Ben ist es recht; er muss sowieso Überstunden machen.
Am Abend wandere ich durch die Wohnung, wühle in Schränken und Schubladen herum und trinke dabei eine Flasche Wein, während ich mir auf einem Blatt Notizen mache. Die ganze Übung erscheint mir surreal – fast so, als sähe ich bestimmte Dinge zum ersten Mal. Während ich unsere ganzen gemeinsamen Habseligkeiten inspiziere, wird mir mit einer Mischung aus Erleichterung und Stolz klar, dass ich so gut wie nichts davon haben will. Ich versuche es, aber ich schaffe es einfach nicht, mich über Möbel, Tischwäsche und Silber zu ereifern. Allerdings verweile ich kurz vor unserem einzigen teuren Kunstgegenstand, einer hinreißenden Stadtlandschaft von Geoffrey Johnson in warmen Sepiatönen. Ich liebe dieses Bild und kann mir einfach nicht vorstellen, es nie wieder anzusehen, aber Ben und ich haben es zu unserem zweiten Hochzeitstag gekauft, und daran möchte ich mich nicht täglich erinnern lassen.
Aus irgendeinem Grund konzentriere ich mich auf unsere CDs. Musik, die wir zusammen gekauft und die wir bei allen möglichen Stimmungen und Gelegenheiten gehört haben. Musik «vor dem Ausgehen». Musik «für die Party». Musik «bei der Hausarbeit». Musik «beim Sex». Musik, die uns «vor dem Sex in Stimmung bringt». Musik «nach dem Sex».
Ich weiß, dass CDs nicht die superteuren Dinge sind, die Nina im Sinn hat – unsere ganze Sammlung ist nur ein paar hundert Dollar wert –, aber die Vorstellung, loszuziehen und die Musik zu ersetzen, die wir so gern zusammen gehört haben, ist mir doch zu schmerzhaft. Außerdem weiß ich, wie viel Ben unsere CDs bedeuten, und zum Teil möchte ich ihm auch eins auswischen. Ich habe kein Verlangen danach, ihn finanziell abzustrafen, aber er soll emotional leiden. Er soll eine furchtbare Leere spüren, und das erreiche ich nicht dadurch, dass ich eine Kristallkaraffe mitnehme.
Also schenke ich mir noch ein Glas Wein ein und notiere ein paar unserer Lieblingsmusiker: James McMurtry, Bruce Springsteen, Bob Dylan, Tom Waits, Velvet Underground, Laura Cantrell, Van Morrison, Cowboy Junkies, Wilco, Tracy Chapman und Dire Straits.
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