Und trotzdem ist es Liebe
«Oha.»
«Was ist?»
«Schon gut», sagt er. «Ich glaube dem Ding sowieso nicht.»
Am Abend unseres letzten «Dates» komme ich in ein x-beliebiges Bistro in Hell’s Kitchen (einer Gegend, mit der Ben und ich am wenigsten verbinden). Ich habe zehn Minuten Verspätung, bin aber trotzdem vor ihm da. Das ärgert mich, denn jetzt muss ich an der Bar etwas trinken, und dadurch fühlt es sich zu sehr an wie ein echtes Date und nicht wie die geschäftliche Besprechung, die es sein soll. Ich frage mich, ob wir uns vielleicht besser zum Lunch hätten treffen sollen.
Ben kommt hereingeschlendert, nachdem ich meinen Wein bestellt und die ersten paar Schlucke genommen habe. Er trägt eine locker sitzende Jeans und ein neues weißes Hemd, das seine Brust und seine Arme gut zur Geltung bringt. Ben hat einen nicht zu massigen, nicht zu zierlichen harten Körper, der angezogen einfach perfekt aussieht. Und ausgezogen – leider, wie ich jetzt sagen muss – noch besser.
«Nettes Hemd», sage ich mit einem Hauch von Sarkasmus. Er soll wissen, dass ich weiß, dass er in dieser gefühlsbewegten Zeit shoppen war. Er sieht mich schuldbewusst an und murmelt dann etwas von ein paar Sachen, die er bei The Gap gekauft habe. Als ich mir vorstelle, wie Ben lässige Klamotten anprobiert, die er sicher demnächst bei seinen Dates mit errötenden, fruchtbaren Mädels von Anfang zwanzig tragen wird, fange ich fast an, ihn zu hassen. Aber das ist eigentlich nur gut und gesund, denn wenn ich ihn hasse, nimmt das diesem Abend den Trauerrand. Ich zahle meinen Wein, und wir gehen zum Pult mit dem Reservierungsbuch.
«Er ist da», sage ich und zeige auf Ben.
Die Kellnerin lächelt und führt uns zu einem kleinen Tisch mitten im Restaurantbereich. Ich sehe auf einen Blick, dass es der schlechteste Tisch im ganzen Lokal ist. Wir sind von allen Seiten umzingelt. Ich rechne nicht mit einer Szene. Ich erwarte auch keine Tränen. Ben und ich haben uns gut im Griff, und wir sind beide nicht geneigt, Aufmerksamkeit zu erregen. Aber trotzdem. Ein Tisch in der Ecke wäre für unsere Zwecke viel besser. Ich werfe Ben einen Blick zu und hoffe, er wird um einen anderen bitten. Das tut er fast immer. Selbst wenn wir bei McDonald’s waren und ich einen Tisch ausgesucht hatte, hat er immer gefragt, ob ich was dagegen hätte zu wechseln. Das war fast ein Spiel. Ich überlegte mir, wo er würde sitzen wollen, und er hatte dann ein Problem damit. Es zog wegen der Klimaanlage, die Sonne schien ihm direkt in die Augen, auf seinem Stuhl war ein fieser Ketchupfleck. Aber ausgerechnet heute Abend muss er gleich zwei Premieren hinlegen: erst ein neues Hemd, und dann ist er zufrieden mit dem Tisch.
«Und? Wie geht’s», fragt er, als die Kellnerin uns mit Speise- und Weinkarte versorgt hat.
«Gut.»
«Was macht der Job?»
Ich sage ihm, dass es gut läuft, und weil er nicht lockerlässt, erzähle ich ihm mit wenigen Sätzen von den Büchern, an denen ich momentan arbeite, und von ein paar anderen, die ich kaufen möchte. Ich weiß, Ben ist stolz auf das, was ich in meinem Beruf geschafft habe, und ich kann es mir nicht verkneifen, ihm ein paar Einzelheiten mitzuteilen. Wie lange wird es wohl dauern, bis ich nicht mehr das Bedürfnis habe, ihn an meinen Geschichten teilhaben zu lassen? «Und wie ist es bei dir?», frage ich.
«Ganz okay», sagt er. «Wie immer.»
«Und die Familie?»
«Der geht’s gut. Bestens.»
«Hast du es ihnen schon erzählt?»
«Ihnen was erzählt?»
«Gott, Ben, ich weiß nicht. Dass du ein neues Hemd hast?»
«Ich wusste nicht, auf welchen speziellen Teil dieser Sache du dich beziehst», sagt er.
«Auf das Ganze vielleicht? Auf diesen allgemeinen Bruch, der hier gerade vor sich geht?» Ich deute mit dem Finger zwischen uns beiden hin und her.
«Ich habe ihnen erzählt, dass wir Probleme haben», sagt er.
«Hast du ihnen gesagt, was für Probleme es sind?»
Er nickt.
«Und jetzt halten sie mich alle für ein kaltherziges Biest?»
«Niemand denkt schlecht über dich, Claudia.»
Ich schaue auf die Speisekarte, ziehe die Brauen hoch und brumme, dass ich das doch sehr bezweifeln möchte.
Er ignoriert diese Bemerkung. «Hast du es deiner Familie erzählt?»
«Nein», sage ich. «Noch nicht.»
Er ist nicht überrascht. Er weiß, dass ich meiner Mutter aus dem Weg gehe und meinen Vater nicht gern beunruhige. «Auch nicht deinen Schwestern?»
«Noch nicht. Nur Jess», sage ich. «Und Michael.»
«Und Annie?»
Ich schüttle den
Weitere Kostenlose Bücher