Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und trotzdem ist es Liebe

Und trotzdem ist es Liebe

Titel: Und trotzdem ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Giffin
Vom Netzwerk:
endgültig verließ, als ich dreizehn war, und das Sorgerecht für uns unserem Vater überließ. Aber das ist natürlich was ganz was anderes (Ha! Leck mich, Ben!), ein sehr viel ernsteres Kapitel in der Geschichte unserer Familie. Trotzdem war nichts von dem, was folgte, so schmerzhaft wie jener Tag auf dem Schulhof, als ich die weißen Kreidebrüste meiner Mutter erblickte.
    Und das bringt mich natürlich zu einem heißen Eisen. Zu dem, was Jess und Ben und meine Schwestern allesamt denken, aber niemals aussprechen: dass ich keine Kinder haben will, weil ich solche Probleme mit meiner Mutter habe.
    Mein erster Instinkt ist es immer, diese Behauptung zu bestreiten, weil ich es immer für öde Drückebergerei gehalten habe, aktuelle Schwierigkeiten auf eine schwere Kindheit zurückzuführen. Jeder hat eine – mehr oder weniger – verkorkste Familie, aber jeder hat auch die Pflicht, sich darüber zu erheben. Lebe jetzt und hör auf, über die Vergangenheit zu jammern. Ich meine, wer glaubt denn zum Beispiel ernsthaft, dass ein Kinderschänder dadurch zu entschuldigen ist, dass man auch ihm als Kind eine Zigarette auf dem Arm ausgedrückt hat?
    Trotzdem kann ich wohl nicht bestreiten, dass es ein lebensgestaltendes Stigma ist, eine Mutter zu haben, die ihre Familie betrügt und sie schließlich ganz verlässt. Ein Stigma, das sich für immer in die Psyche einbrennt. Und diese Gefühle müssen zumindest eine kleine Rolle in alldem spielen – so, wie ich auch davon überzeugt bin, dass Daphnes Besessenheit, Kinder zu bekommen , eine Menge damit zu tun hat, dass sie den Schmerz, den unsere Mutter verursacht hat, auslöschen will. Auf einer bestimmten Ebene ergibt Daphnes Ansatz mehr Sinn. Trotzdem ist die Vorstellung von einer Wiederholung nicht nur wenig ansprechend, sondern erschreckend. Ich will über niemanden solche Macht haben. Ich will nicht etwas sein, das jemand anders überwinden muss. Schließlich würde wahrscheinlich jeder zustimmen, dass es viel schlimmer ist, eine beschissene Mutter zu sein, als eine zu haben.
    Und so merke ich in den folgenden Tagen und Wochen, dass ich dabei bin, meine Trauer in Zorn zu verwandeln. Zorn auf Ben, weil er sich von mir abgewandt hat. Einen Zorn, der mich ganz gut vorantreibt, den ganzen Weg bis zu einer schicken Scheidungsanwältin in der Fifth Avenue.

Sechs
    Ich kann nicht sagen, ob die nächsten paar Wochen zu schnell oder unglaublich langsam vergehen. In mancher Hinsicht kommt es mir vor, als ob Ben und ich uns über Nacht getrennt hätten – viel zu einfach. Ich denke immer, nur oberflächliche Promis beenden ihre Ehen so locker, wie wir es tun. Oder dumme, junge Kids, die sich aus einer Laune heraus darauf einlassen und dann aussteigen, als es nicht mehr hot und heavy ist, ohne einen Gedanken an ihr heiliges Gelübde zu verschwenden und im festen Glauben daran, dass man alles im Leben locker noch einmal tun kann.
    In anderer Hinsicht aber scheinen die Tage bis zu unserer Scheidung ein ganzes Leben zu dauern. Jeden Morgen beim Aufwachen überfällt mich die übelkeitserregende Erkenntnis, dass mein Leben sich in Auflösung befindet. Dass ich nie wieder wirklich glücklich sein werde. Sosehr ich mich auch bemühe, mich zu beschäftigen und abzulenken, ich habe ein Dutzend Mal am Tag das Gefühl, einen Schlag in den Magen zu bekommen. Und manchmal bete ich plötzlich, dass Ben es sich noch anders überlegt.
    Einstweilen ziehe ich zu Jess. Mit ihr zusammenzuwohnen ist einigermaßen tröstlich, aber es fühlt sich auch an wie ein Rückschritt. Fast so, wie wenn man zu seinen Eltern zurückzieht, wenn man einmal zu Hause ausgezogen ist. Ich kehre an einen früheren Punkt in meinem Leben zurück, und das ist nie ein gutes Gefühl. Mir ist klar, dass es eine vorübergehende Maßnahme ist – irgendwann werde ich mir eine eigene Wohnung suchen –, aber ich fühle mich trotzdem ein bisschen wie ein Loser. Außerdem habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich Jess behelligen muss, auch wenn sie darauf besteht, dass sie es toll findet, mich wiederzuhaben. Ich biete ihr an, Miete zu zahlen – ein leicht peinliches Arrangement in Anbetracht dessen, dass ihr die Wohnung gehört. Sie sagt, ich solle nicht albern sein und sie sei sowieso nie zu Hause. «Außerdem, wozu hat man Freundinnen, Claudia – wenn sie nicht mal die Trümmer auflesen können, die ein Mann hinterlassen hat?»
    Trotzdem lege ich Wert darauf, unsere Lebensmittel und die Mahlzeiten vom Lieferservice zu

Weitere Kostenlose Bücher