Und trotzdem ist es Liebe
sagt: «Ja. Höchstens das zweite. Ich wette, sie haben sich noch nicht geküsst.»
«Aber vielleicht heute Abend», sage ich.
«Ja. Vielleicht.»
«Ich wünschte, ich könnte einen Sprung nach vorn machen und sehen, wie es endet», sage ich sarkastisch.
Ben sieht mich an. «Du warst immer eine Zynikerin.»
«Stell dir vor», sage ich.
«Vielleicht leben sie glücklich miteinander bis ans Ende ihrer Tage.»
«Ja. Mit zwei Komma zwei Kindern.»
«Oder wenigstens mit einem», sagt Ben.
Ich überlasse ihm das letzte Wort – und die Rechnung, als sie barmherzigerweise endlich kommt.
Sieben
Mehr als ein kleiner Teil von mir fragt sich, ob ich einen Fehler mache, als ich Ben endgültig ziehen lasse. Ich sage mir, dass nachträgliche Bedenken einfach dazugehören. Wann immer man im Leben eine folgenschwere Entscheidung trifft, wo es eine gangbare Alternative gäbe, folgt unweigerlich ein unbehaglicher Nachgeschmack. Beklommenheit ist nur ein Zeichen dafür, dass man etwas ernst genommen hat.
In diesem Sinne beschwört die Scheidung von Ben ein ähnliches Sortiment an Emotionen herauf wie die Heirat mit ihm. Ich wusste auch damals, dass ich das Richtige tat, aber einer gelegentlichen Besorgnis, die mich mitten in der Nacht wach hielt, konnte ich auch nach einigen Löffeln MediNait nicht entkommen. In den Tagen vor der Hochzeit wusste ich, dass meine Liebe für Ben das Echteste war, was ich je erlebt hatte, aber ich fragte mich trotzdem bekümmert, ob ich nicht dabei war, mir eine Enttäuschung einzuhandeln. Ich weiß noch, dass ich Ben eines Nachts, als er schlief, anschaute und befürchtete, ich würde ihn eines Tages im Stich lassen. Oder er mich. Dass es irgendwie nicht gut ausgehen würde mit uns und dass ich dann zurückschauen und sagen würde: «Wie konnte ich so dumm sein? Warum habe ich es nicht kommen sehen?» Und natürlich ist es jetzt genau so gekommen.
Und als ich jetzt sehe, wie Ben entschwindet, habe ich das bohrende Gefühl, dass ich eines Tages zu dieser Weggabelung zurückschauen und erkennen werde, dass ich hier den größten Fehler meines Lebens begangen habe. Angesichts meines fragilen Gleichgewichts bin ich sehr nervös bei dem Gedanken, mit meiner offenherzigen Familie zusammenzukommen. Ich erzähle ihnen nichts und schiebe es mehrere Wochen auf, sie zu besuchen, bis meine Nichte Zoe ihren sechsten Geburtstag feiert und ich es nicht länger hinauszögern kann.
An diesem Morgen fahre ich mit dem Zug zu Maura nach Bronxville, und ich schaue aus dem Fenster in eine Gegend hinaus, die ich inzwischen auswendig kenne. Ich höre mir nur die rockigen Stücke auf meinem iPod an und überspringe vorsichtshalber alles halbwegs Melancholische auf meiner Playlist. Ich könnte nichts Schlimmeres tun, als mit einer Spur von Traurigkeit im Gesicht bei Maura aufzukreuzen. Ich muss tough sein, denke ich mir und lege mir eine Strategie zurecht, um ihnen die schlechten Nachrichten beizubringen.
Als der Zug in den Bahnhof einläuft, habe ich beschlossen, meiner Familie von der bevorstehenden Scheidung erst zu erzählen, wenn die Gäste gegangen sind und Zoe mit ihren neuen Spielsachen beschäftigt ist. Wahrscheinlich wäre es weniger dramatisch, es allen einzeln am Telefon zu eröffnen, aber so brauche ich es nur einmal zu sagen. Ich gebe eine Pressekonferenz und handele das ganze Bündel Fragen auf einmal ab. Und wenn ich es nicht mehr aushalte, danke ich meiner Familie und gehe. Wie ein Sportler nach einer schmerzhaften Niederlage. Ja gut, ich bin enttäuscht. Tut mir leid, dass ich mein Team im Stich gelassen und diesen einfachen Korbleger in der zweiten Hälfte versiebt habe. Aber ich habe mein Bestes gegeben. Und ich muss nach vorne schauen …
Mein Dad, der immer noch in Huntington in dem Haus wohnt, in dem wir aufgewachsen sind, ist schon heute Morgen zu meiner Schwester gefahren, und jetzt holt er mich am Bahnhof ab. Noch bevor ich die Autotür geschlossen habe, fängt er mit meiner Mutter an. «Diese Frau ist unmöglich», verkündet er. Mein Vater hat sonst eine sehr positive Einstellung, aber meine Mutter bringt seine schlechtesten Seiten zum Vorschein. Und anscheinend hat er nie das Merkblatt für geschiedene Eltern bekommen, auf dem erklärt wird, dass es nicht gesund für ein Kind (nicht mal für ein erwachsenes Kind) ist, sich anzuhören, wie ein Elternteil den anderen niedermacht.
«Was hat Vera diesmal getan?», frage ich.
«Sie hat eine ihrer typischen abfälligen Bemerkungen über
Weitere Kostenlose Bücher