Und trotzdem ist es Liebe
Kopf. «Nein … warum? Hast du mit Ray gesprochen?»
«Ein bisschen.»
Ich würde ihn gern fragen, was er ihm erzählt hat, aber ich lasse es bleiben. Ich weiß es auch so ziemlich genau. Und ich weiß auch, was ein frischgebackener Vater ihm darauf antworten wird. Es bestätigt das, was ich schon immer gesagt habe: Man ist selektiv bei der Ratsuche. Man wendet sich an Leute, die den eigenen Instinkt reflektieren. Die einem das raten, was man sowieso vorhat.
Unsere Kellnerin kommt und nimmt unsere Bestellung auf. Wir haben nicht darüber gesprochen, aber wir entscheiden uns beide für den Lachs. Wir haben früher nie das Gleiche bestellt, sondern immer zwei verschiedene Hauptgänge genommen und sie dann geteilt. Offensichtlich sind die Tage des Teilens vorbei.
«Tja», sage ich.
«Tja», sagt Ben. «Wie geht’s weiter?»
Ich weiß, dass er die Logistik meint, nicht unsere Beziehung. Es ist aus zwischen uns, und das wissen wir beide. Ich reiche ihm Ninas Schriftsatzentwurf. «Bei unstreitigen Scheidungen in New York läuft alles mehr oder minder nach Schema F.»
Er nimmt die Papiere und schaut sie an. Er blättert Seite um Seite um, bis er zu der Stelle kommt, wo es um die Aufteilung der Vermögenswerte geht.
«Ich will nur die CDs», fasse ich für ihn zusammen.
Überrascht sieht er mich an. «Mehr nicht? Nur die CDs?»
«Ja. Ich will nur unsere Musik.» Ich schwöre mir, dass ich zum allerletzten Mal «unsere» gesagt habe. «Ist das okay?»
«Klar, Claudia. Die Musik gehört dir.»
«Sogar die James-McMurtry-CDs?» Ich hoffe, jetzt wird er sich sträuben – oder wenigstens bestürzt aussehen. Ben hat seine Lieblingsmusik, und ich habe meine, aber für uns als Paar ist James McMurtry die Nummer eins. Vielleicht, weil wir seine Musik zusammen entdeckt und uns in sie verliebt haben. Ich sehe, wie Bens Brust sich hebt, als er einatmet. Dann atmet er aus und sieht mich an. Ich hoffe, er denkt gerade an den letzten Sommer, als wir nach Austin geflogen sind, um James live im Continental Club zu sehen. Ich hoffe, er denkt daran, wie wir zu viel Bier getrunken haben, während wir uns in den Armen hielten und James’ herzzerreißende Texte in uns aufsogen.
«Ja, natürlich. Auch James», sagt er betrübt, und ich nehme mir vor, eine einzige CD zurückzulassen, als hätte ich sie übersehen. Eine ähnliche Nummer habe ich bei der Trennung von meinem College-Boyfriend Paul abgezogen. Es gab viele Gründe für diese Trennung, aber einer war der, dass wir geographisch inkompatibel waren. Ich wollte in New York leben – und er überall, nur nicht dort. Ich hoffte, er würde es sich noch überlegen, und arbeitete strategisch darauf hin, diese Chance zu vergrößern. Als ich seine Sachen zusammentrug, die sich im Laufe des letzten Jahres in meinem Apartment angesammelt hatten, steckte ich eine Uno-Karte mit in die Kiste, weil Paul und ich andauernd Uno gespielt hatten. Es war eine rote «Richtungswechsel»-Karte, und ich fand es irgendwie symbolisch. Ich hoffte, er würde sie finden und einen Augenblick lang inbrünstig bereuen, dass er mich hatte gehen lassen, und vielleicht würde er sich wünschen, er könnte sein Leben «die Richtung wechseln» lassen, Denver verlassen und mit mir nach New York gehen. Vielleicht würde er diese Karte sogar mit Klebstreifen an seinen Spiegel hängen, sie jeden Morgen beim Rasieren anschauen und an mich denken – und an das, was hätte sein können.
Ich versuche mir Bens Gesicht vorzustellen, wenn er eine von unseren McMurtry-CDs findet. Er schiebt sie in den Player, hört sich einen unserer Songs an und verflucht sich dafür, dass er mich für ein Baby hat sausen lassen.
«Claudia?» Ben reißt mich aus meinen Gedanken. «Woran denkst du?» Seine Stimme ist sanft.
«Ach, du weißt schon», sage ich und schüttle den Kopf, und wieder durchfährt mich heftige Trauer. Ich habe große Mühe, die Tränen zurückzuhalten.
«Ja. Ich weiß», sagt Ben. «Es ist beschissen.»
Ich nicke und schaue woandershin, zu einem Paar, das in der Nähe sitzt, anscheinend ein erstes Date. Sie haben ihren Tisch gleich nach uns bekommen, und ich habe gesehen, dass er den Stuhl für sie zurückgezogen hat. Sie sind jung und eifrig, sie lächeln unablässig und haben erstklassige Tischmanieren. Ein guter Anfang, glücklich und hoffnungsvoll.
Ich deute mit dem Kopf zu ihnen hinüber. «Guck dir die beiden an. Das erste Date?»
Ben dreht sich ein wenig zur Seite, mustert sie einen Moment lang und
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