Und trotzdem ist es Liebe
durch die Highlights ihres Stelldicheins im Four Seasons Hotel. Auf einem Foto hält Trey sich ein Handtuch lose vor die Taille. Er hat einen beeindruckenden Waschbrettbauch, einschließlich der tektonischen Einkerbungen dort, wo der gerippte Bauch in die Beckengegend abtaucht.
«Wow. Er ist der Wahnsinn», sage ich. Wie kann ein Investmentbanker-Vater-Ehemann die Zeit finden, eine Affäre zu haben und derart ausgiebig ins Studio zu gehen? Es bestätigt etwas anderes, das ich auch immer gesagt habe: Ich traue Männern nicht, die einen dermaßen fabelhaften Körper haben.
Jess wird rot. «Ich weiß! Das ist er wirklich … Ich glaube, das ist es, hundertprozentig. Diesmal wirklich.»
«Wir werden sehen.» Mit gespieltem Optimismus drücke ich ihr die Daumen.
Von Tucker erzähle ich Jess erst am nächsten Samstagmorgen, nachdem Trey – Überraschung! – seiner Frau nicht gesagt hat, dass er sich scheiden lassen will. Selbstverständlich hatte er seine Gründe. Die gibt es ja immer. Irgendwas mit seinem Sohn, der hohes Fieber hatte, sodass seine Frau den Trip zum Strand absagen musste. Es ist so unfair, denke ich, dass beschissene Ehen es offenbar an sich haben, jahrzehntelang vor sich hin zu dümpeln, während tadellose wie meine einfach über Nacht zu Ende gehen können.
Einstweilen erzählt Jess mir, dass sie ihm diese Verzögerung nicht übelnimmt. Es beweise einfach, dass er ein guter Vater sei.
Vermutlich ist es der «gute Vater», was mich an Ben denken lässt, denn jetzt erzähle ich ihr die Tucker-Story.
Jess ist überrascht, dass ich mich ihr nicht schon eher anvertraut habe. Reumütig sage ich: «Ich musste es selbst erst verdauen, bevor ich darüber reden konnte.»
Sie nickt verständnisvoll. Im Gegensatz zu meinen Schwestern ist sie wegen solcher Dinge nicht gekränkt. Genau genommen ist sie überhaupt nicht oft gekränkt. Sie hat im Laufe der Jahre ein überaus dickes Fell entwickelt – was wahrscheinlich mit ihrem Pech in der Liebe ebenso viel zu tun hat wie mit ihrem beinharten Job.
«Hast du sie gegoogelt?», fragt Jess.
Ich lache und gebe es zu. «Das habe ich schließlich von dir gelernt.»
«Und?»
«Nichts. Sie ist nirgends zu finden.»
«Hast du ihren Namen in Anführungsstriche gesetzt?»
«Yep. Nichts.»
«Gut.» Jess lässt ihr teuflisches Lächeln aufblitzen. «Das beweist nur, was wir schon wussten.»
«Nämlich?»
«Dass er nicht die kleinste Chance hat, was Besseres zu finden als dich.»
«Das kannst du laut sagen.»
Sie wiederholt es laut, und mit etwas mehr Gefühl.
Am Nachmittag treffen Jess und ich uns mit meinen Schwestern zum Lunch in einem Café am Union Square. Jess und ich haben den ganzen Vormittag gearbeitet, während Daphne und Maura shoppen waren. Sie sind bepackt mit Tüten von Barneys (Mauras Lieblingsgeschäft) und Bloomingdale’s (Daphnes Lieblingsgeschäft). Ich bin so gut gelaunt wie schon lange nicht mehr, wahrscheinlich weil ich mit meinen drei liebsten Frauen zusammen sein kann. Ich kann buchstäblich fühlen, wie mein Herzweh vergeht, nur weil ich in ihrer Gesellschaft bin.
Die Kellnerin mahlt frischen Pfeffer auf Daphnes Ravioli, als Maura ganz unverblümt fragt, ob ich etwas von Ben gehört habe. Ich werfe einen Blick zu Jess und will einen Moment lang verneinen. Nicht dass ich es meinen Schwestern nicht erzählen will. Ich habe nur jetzt keine Lust, die ganze Geschichte noch einmal zu durchleben. Aber es fällt mir sehr schwer, bei solchen kleinen Täuschungen die Übersicht zu behalten. Ich weiß, in ein paar Monaten habe ich vergessen, dass ich es ihnen nicht erzählt habe, und mache irgendeine Bemerkung über Tucker – und dann wird das Ganze zum Problem: Warum habe ich es Jess erzählt und ihnen nicht? Also rücke ich mit der ganzen Geschichte heraus, angefangen mit den Zuckerstreuseln über die Tierhandlung bis zu meiner Google-Suche und meinem kurzen Telefonat mit Ben am Abend. Daphnes braune Augen sind traurig, und es sieht aus, als wollten ihr gleich die Tränen kommen. Daphne weint oft. Das ist ihre natürliche Reaktion auf jede extreme Gefühlsregung – Zorn, Glück, Sorge, Angst. Maura indessen setzt ein entschlossenes, streitbares Gesicht auf. Ich sehe ihr an, dass sie mehr Informationen haben will. Und richtig, sie fängt an, Fragen auf mich abzufeuern.
«Wie hübsch war sie?», will sie wissen, obwohl ich gerade eine detaillierte Beschreibung abgegeben habe, um alle Fragen in genau dieser Richtung vorwegzunehmen.
«Das
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