Und trotzdem ist es Liebe
spazieren, und wenn wir in dieselbe Richtung fahren, dauert’s vielleicht noch länger. Jetzt glaube ich wirklich, ich muss kotzen. Ich fühle die Martinis und die bunten Streusel schon in meiner Kehle, als ich frage: «Woher kennen Sie Ben?»
«Wir haben uns auf einer Party kennengelernt.»
«Oh. Das ist schön», sage ich und kann mir die nächste Frage nicht verkneifen. «Wann?»
«Am Memorial Day.»
«Das ist schön», sage ich, und irgendwie bin ich erleichtert, dass wir uns nicht überlappt haben.
«Ben und ich sind nur Freunde», sagt sie unbeholfen.
«Oh.»
«Ja.»
Nach langem Schweigen sage ich: «Wir auch. Wir waren allerdings mal verheiratet.»
«Ja. Ich weiß.»
«Tja.» Ich lache nervös.
«Ja», sagt sie und kichert selbst beklommen. Und in diesem Moment denke ich mir, ich wäre lieber Kandidatin bei Fear Factor , als dass ich mich weiter mit Bens neuer «Freundin» unterhalte. Also erfinde ich eine Besorgung in der Upper West Side, die ich noch zu erledigen habe.
«Ich muss jetzt da rein und ein paar Sachen kaufen», sage ich und zeige auf einen x-beliebigen Laden, an dem wir gerade vorbeigehen.
«Oh», sagt sie. «Haben Sie einen Hund oder eine Katze?»
Typisch. Ich muss mir eine Tierhandlung aussuchen, obwohl ich gar kein Tier habe.
«Weder – noch … Ich, äh … ich brauche nur ein paar Geschenke … Ich habe Freunde mit Hunden», stottere ich. «Also … war nett, Sie kennenzulernen, Tucker.»
«Hat mich wirklich auch gefreut, Claudia. Ich hoffe, wir sehen uns mal wieder.»
Nicht, wenn ich dich zuerst sehe und mich verdrücken kann .
«Also. Bye», sage ich.
«Bah-bye», sagt sie.
Bah-bye?
Ich verschwinde in den Laden und tue, als sei ich fasziniert von einem Aquarium mit Goldfischen, und ich tröste mich mit dem Wissen, dass Ben es hasst, wenn Mädels «bah-bye» sagen. Das wird nie was mit den beiden. Sie ist jung, sportlich und süß. Und ganz sicher kann sie es nicht erwarten, Kinder zu kriegen. Sie sieht sogar fruchtbar aus . Aber sie sagt «bah-bye». Zumindest daran kann ich mich festhalten, während ich einem weiteren einsamen Samstagabend entgegensehe.
Zehn
Ben ruft an diesem Abend zweimal bei mir an. Beim ersten Mal bin ich noch in der Tierhandlung, starre die Goldfische an und frage mich, wer zum Teufel eigentlich der Meinung sein kann, dass Fische gute Haustiere sind. Als er das zweite Mal anruft, bin ich in Jess’ Apartment angekommen, habe geduscht und zwei Manuskripte und einen angespitzten roten Bleistift auf den Küchentisch geworfen. Aber beide Male ist mir so traurig und so flau zumute, dass ich die Anrufe nicht annehme. Ich habe mir nie eingebildet, unersetzbar zu sein. Ich meine, schon die Scheidung beweist, dass ich total ersetzbar bin. Aber ich hätte wirklich nicht gedacht, dass Ben so bald wieder auf der Pirsch sein und sich mit Frauen treffen könnte – als stände er im Wettlauf gegen irgendeine männliche biologische Uhr. Und ob Tucker wirklich nur eine Freundin oder seine Freundin ist, ob sie eine ist, mit der er schläft, oder eine, mit der er schlafen möchte, ob sie seine zweite Ehefrau oder die Mutter seiner künftigen Kinder ist – um alles das geht es nicht. Genau gesagt, es geht überhaupt nicht um Tucker.
Es geht darum, dass Ben nach vorn schaut und weitergeht, während ich es nicht tue. Stattdessen zockele ich zu seinem Apartment und will ihm irgendeine halbgare Frage nach angeblichen Ängsten stellen. Ein absolut durchsichtiger, jämmerlicher Vorwand. Wenn Jess so was täte, würde ich sie in der Luft zerreißen. Das alles bestätigt nicht nur, dass mich die Scheidung härter trifft als ihn – jetzt weiß ich auch, dass Ben weiß, dass die Scheidung mich härter trifft als ihn. Und das ist wahrscheinlich das Beschissenste daran.
Ich versuche mich auf die Arbeit zu konzentrieren, aber meine Gedanken wandern immer wieder zurück zu Tucker. Ich denke daran, wie Ben uns vorgestellt hat, und spreche ihren Namen laut vor mich hin. «Tucker Jansen.» Und wider besseres Wissen stehe ich ganz langsam auf und schlängele mich zu Jess’ Computer, der in ihrem Schlafzimmer in der Ecke steht. Mit klopfendem Herzen rufe ich Google auf und will die neue Freundin meines Exmannes suchen. Ich schreibe «Tucker Jansen» in Anführungsstrichen, wie Jess es mir beigebracht hat. Jess ist eine meisterhafte Stalkerin im Cyberspace. Sie hat online schon zahlreiche Exfreunde aufgestöbert. Die Hochzeitslisten bei www.theknot.com sind ihr täglich
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