Und trotzdem ist es Liebe
soll.
«Geht’s dir gut?», fragt er.
«Ja», lüge ich. «Ich habe nur … ich weiß nicht.»
«Sag’s. Erzähl’s mir.»
«Ich weiß nicht … Vermutlich habe ich mich nur gefragt, ob wir das Richtige getan haben.»
«Manchmal weiß ich es wirklich nicht …», sagt er. «Du fehlst mir so sehr.»
Gern möchte ich antworten, dass er mir auch fehlt, aber ich lenke mit einem Lachen ab. «Ja. Diese ganze Scheidungsgeschichte ist nicht einfach.»
Wir schweigen fast eine ganze Minute, und dann sagt er: «Möchtest du vorbeikommen? Vielleicht einen Film anschauen?»
Ich bekomme Gänsehaut auf Armen und Beinen, aber … «Ich glaube, das wäre keine gute Idee.»
Ich weiß, dass ich recht habe, aber ich hasse mich dafür, dass ich es sage. Ich würde nichts lieber tun als in meine alte Wohnung zurückgehen, mit Ben auf der Couch sitzen und einen Film anschauen. In diesem Augenblick vermisse ich unsere Freundschaft mehr als alles andere.
Halb hoffe ich, er wird mich überreden, aber er sagt nur: «Wahrscheinlich hast du recht.»
«Ja.»
«Okay.»
«Tja, ich muss Schluss machen», sage ich, und meine Augen füllen sich mit Tränen.
«Okay. Wiedersehen, Claudia», sagt er leise. «Mach’s gut.»
«Du auch», sage ich, und ich fühle mich unglaublich leer. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so einsam gewesen zu sein. Als ich auflege, nehme ich mir vor, mir diesen Schmerz in meiner Brust gründlich einzuprägen – für den Fall, dass ich noch einmal auf die brillante Idee kommen sollte, Kontakt mit Ben aufzunehmen. Ich will nicht an das erinnert werden, was ich nicht mehr habe.
Jess kommt am nächsten Morgen zurück und platzt gleich in mein Schlafzimmer. Sie hat einen Nachtflug hinter sich, und mit «aufgekratzt» ist ihr Zustand am besten beschrieben.
«Ich bin so froh, dass du wach bist!» Sie springt auf mein Fußende.
«Was ist los?» Tuckers Gesicht steht klar und deutlich vor meinem geistigen Auge. «Wie war die Reise?»
«Trey verlässt seine Frau!», singt sie.
«Das ist toll!», sage ich, aber es klingt steif. Es fällt mir schwer, beim Thema Scheidung große Begeisterung aufzubringen.
«Er sagt es ihr noch diese Woche», verkündet sie. «Kommenden Freitag macht sie mit den Mädels ihren jährlichen Trip an den Strand – und er wird es ihr sagen, bevor sie abfährt.»
Wie rücksichtsvoll , denke ich. Da werden die Mädels wenigstens Gesprächsstoff haben . Aber ich sage nur: «Und was dann?»
«Wie, was dann?» Ich weiß, sie will Bestätigung von mir, wie alle ledigen Frauen die Bestätigung ihrer besten Freundin brauchen. Wie ich jetzt Bestätigung von ihr brauche.
«Ich meine, wie sieht die Logistik aus? Wird er nach New York ziehen?»
«Darüber haben wir noch nicht gesprochen.»
«Oh», sage ich, und ich befürchte gleich, es klingt nicht überschwänglich genug. Jess die Petersilie zu verhageln ist das Letzte, was ich will, nachdem ihre Petersilie seit mindestens einem Jahrzehnt immer wieder eingegangen ist. Außerdem kann ich sowieso nichts sagen, was sie davon abbringen würde, zu tun, was sie tun will; also kann ich sie genauso gut unterstützen. Manchmal braucht man einfach jemanden, der mit einem zusammen glücklich – oder traurig – ist. Aber ich kann mir nicht helfen, ich habe ein übles Gefühl bei Trey. Von wenigen, sehr seltenen Umständen abgesehen, bin ich fest davon überzeugt: einmal Betrüger, immer Betrüger.
Ich weiß, dass Jess meine Skepsis spürt, denn sie sagt: «Du magst ihn nicht, was?»
«Ich kenne ihn doch gar nicht», sage ich hastig. «Ich habe bloß … ich weiß nicht …»
«Sag’s schon.»
Ich zögere. «Glaubst du, dass du ihm je wirklich vertrauen könntest?»
«Wir sind total verliebt», sagt Jess, aber das ist eigentlich keine Antwort auf meine Frage. Man kann auch jemanden lieben, dem man nicht vertraut. «Er ist mein Seelengefährte.»
Mir werden die Knie weich, wenn ich das Wort «Seelengefährte» bloß höre. Ich habe es einmal benutzt, um meine Beziehung zu Ben zu beschreiben. Es gibt kein besseres Gefühl auf der Welt als das, deinen Seelengefährten gefunden zu haben. Es ist die absolute Euphorie. Und irgendwie das genaue Gegenteil von dem, was ich jetzt gerade empfinde.
«Ich freue mich für dich, Jess», sage ich. «Ich hoffe wirklich, es wird alles gut.»
Sie lacht, und dann verschwindet sie und kommt mit ihrer Digitalkamera zurück. «Ich habe Fotos von ihm gemacht. Damit du ihn mal sehen kannst.» Sie klickt
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