Und trotzdem ist es Liebe
Strategie für den Umgang mit meiner schwierigsten Autorin, Jenna Coblentz, mit mir entwickeln. Jenna ist seit über zehn Jahren ein gewaltiger Verkaufserfolg, aber sie ist, was die Publicity angeht, dermaßen anspruchsvoll, dass ihr Verhalten manchmal beinahe beleidigend ist. Eine Lektorin muss dabei als Puffer für die Presseabteilung dienen.
«Wie sieht’s mit Donnerstag aus?», fragt Richard mich mit seiner sonoren Radiostimme.
«Donnerstag ist perfekt», sage ich, ohne einen Blick in meinen Kalender zu werfen.
«Im Bolo um eins?», fragt er. Das Bolo ist beliebt bei den Leuten im Haus und in der Verlagsbranche überhaupt. Er würde niemals das Bolo aussuchen, wenn er nicht die lautersten Absichten hätte.
«Ist mir recht», sage ich sehr geschäftsmäßig.
Am Donnerstag komme ich in meiner schmeichelhaftesten Jeans und einer grünen Seersucker-Jacke ins Büro. Ich sehe lässig, aber trendy aus. Ungefähr zehn Minuten verbringe ich am Schreibtisch damit, mein Make-up aufzufrischen, bevor ich zum Lunch gehe. Ich stehe weiter dazu, dass ich kein Interesse an Richard habe, aber es kann im Leben nie schaden, hübsch auszusehen, vor allem in Gesellschaft eines hinreißenden Mannes.
Richard hat mir kurz vorher gemailt, dass er einen Zahnarzttermin hat und sich deshalb gleich im Restaurant mit mir treffen möchte. Ich gehe die paar Straßen zum Bolo ziemlich flott, komme aber trotzdem fünf Minuten zu spät. Ich entdecke ihn sofort; er sitzt an einem Ecktisch. Sportjackett und Krawatte. Ein Glas Rotwein und eine Schale Oliven stehen vor ihm auf dem Tisch. Er telefoniert, und er sieht ein bisschen aufgeregt aus, als er in ein kleines Notizbuch schaut, wie es Reporter der alten Schule benutzen. Eine Aura der Wichtigkeit umgibt ihn. Aber vielleicht liegt das nur an meinem Wissen , dass er wichtig ist.
Als er aufblickt und mich sieht, hellt seine Miene sich auf, und er winkt mich zu sich. Ich gebe ihm ein Zeichen, das sagen soll: «Telefonieren Sie zu Ende. Ich warte hier.» Er schüttelt den Kopf und beendet rasch sein Gespräch; er klappt das Telefon zu und schiebt es zusammen mit dem Notizbuch in die Jackentasche. Als ich zum Tisch komme, steht er halb auf und sagt: «Hallo, Claudia.»
«Hi, Richard», sage ich und atme sein Aftershave ein, das ich zum ersten Mal vor Jahren bei einer gemeinsamen Fahrt im Aufzug wahrgenommen habe. Ich liebe Aftershave oder Eau de Cologne bei Männern. Ben hat so etwas nie benutzt. Sogar sein Deodorant war parfümfrei. Es tut gut, über etwas zu stolpern, das ich beim Gedanken an Ben nicht vermisse. Leider habe ich davon noch nicht sehr viel gefunden. «Hat er gebohrt?»
«Nein, überhaupt nicht», sagt er.
«Benutzen Sie regelmäßig Zahnseide?»
«Nein», gesteht er betreten. «Vermutlich nur gute Gene, weiter nichts.»
Unser Kellner, ein junger blonder Typ mit so viel Schwung, dass ich ihn für einen Broadwaytänzer halte, kommt heran, stellt sich als Tad vor und fragt, was ich trinken möchte. Normalerweise trinke ich werktags zum Lunch keinen Wein, aber weil Richard es tut, bestelle ich ein Glas Chardonnay.
«Gut. Ich trinke nicht gern allein», sagt Richard, als Tad wieder weg ist. «Es sei denn, ich bin allein, meine ich.»
Ich lache.
Er lacht.
Als wolle er einen Kontrast zu unserer Getränkeauswahl herstellen, überspringt Richard jeden weiteren Smalltalk und kommt gleich zum Geschäftlichen. Das Sommerprogramm. Eine neue Autorin, die ich eingekauft habe. Eine kürzlich erschienene, sehr gemischte Rezension der Skvarla-Memoiren in der Times . (Nicht dass die Presseabteilung sich jemals besonders für Inhalte interessierte. Auch schlechte Publicity ist gute Publicity.)
«Und die große Neuigkeit ist», sagt Richard, wie um den Grund für unseren Lunch anzukündigen, «ich bin so dicht davor, Amy Dickerson in der Today Show unterzubringen.» Zwischen seinem Daumen und seinem Zeigefinger ist ein Millimeter Abstand.
«Im Ernst?», frage ich, obwohl ich diese Neuigkeit schon von Michael erfahren habe. So etwas ist eine Riesennummer für jedes Buch, aber besonders für einen Roman. Trotzdem ist es normalerweise kein Grund für einen Unter-vier-Augen-Lunch mit dem Chef der Presseabteilung.
Richard nickt. «Anscheinend findet Katie das Buch wirklich schau.»
Ich lächle über das Wort «schau». Richard benutzt häufig den Jargon der siebziger Jahre. Bei den meisten Leuten klingt das abgedroschen oder albern, wenn sie im Slang einer früheren Generation reden, aber
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