Und verfluche ihre Sünden
Hitze, Zucker und Koffein wirkten. »Ich danke Ihnen.«
»Wofür?«
»Dass Sie es Entschlossenheit nennen statt ›sich unüberlegt hineinstürzen‹.«
»Oh, ich betrachte es als Furchtlosigkeit.« Die Nonne warf einen Blick auf Clares linke, ringlose Hand. »Sie sind nicht verheiratet?«
Clare schüttelte den Kopf.
»Haben Sie einen Partner?«
»Nein! Ich meine, nein … nein.«
Schwester Lucia tätschelte ihre Hand. »Ich wollte nicht aufdringlich sein. Ich habe nur festgestellt, dass eine der großen Segnungen des Zölibats die Furchtlosigkeit ist. Besonders für Frauen. Man sieht, was getan werden muss, und tut es, ohne Furcht vor den Folgen für Familie und Ansehen.« Wo sie vorher getätschelt hatte, drückte sie nun zu, fest. »Lassen Sie sich nicht einreden, dass es ein Makel wäre. Wir brauchen mehr furchtlose Frauen, die Christus folgen, nicht weniger.«
IV
Auf dem Weg zurück nach Millers Kill mussten sie und Diakon Aberforth an einer Tankstelle halten, um aufzutanken.
Als sie hineinging, um zu bezahlen – der Diakon blieb unterdessen sitzen und wetterte über die verschwenderische Extravaganz eines aufgemotzten Hummer, der an der nächsten Zapfsäule zwei Plätze blockierte –, sah sie fünf junge hispanische Männer, die sich von hinten Soda holten. Fünf. Die sich anrempelten, auf Spanisch Witze machten, unzureichend für die Witterung gekleidet, in Turnschuhen und Ripstop-Jacken, die auch die Jungs ihrer Gemeinde trugen. Sie schüttelte den Kopf.
Die Menschen, die wir nicht sehen.
Mit dem Gefühl, dass ihre Entscheidung, Schwester Lucia zu unterstützen, vollauf gerechtfertigt war, kehrte sie zum Auto zurück.
»Father Aberforth.« Sie zwang sich, den Blick vom Tacho abzuwenden, als er auf der Route 9 mehr oder weniger beschleunigte. »Würden Sie mich eher als impulsiv oder als furchtlos bezeichnen?«
Er warf ihr einen kurzen Blick zu. »Ich, Ms. Fergusson, würde Sie als das Mittel bezeichnen, mit dem Gott mir klarmacht, dass er noch eine Menge Arbeit für mich hat.«
Fastenzeit
März
I
»Father? Ich bin fertig. Die Leute vom Blumenkomitee sind noch dabei, die Palmwedel für den Gottesdienst morgen aufzuhängen, deshalb habe ich den Altarraum noch nicht abgeschlossen.« Mr. Hadley stand in der Tür zum Pfarrbüro. Außer wenn er putzte, etwas reparierte oder nachschaute, hatte Clare ihn noch nie die Büroräume betreten sehen. Verständlich. Er hatte sein eigenes Königreich, bestehend aus Kessel und Heizungsraum und der mysteriösen Küsterkammer.
Lois, die Pfarrsekretärin, warf einen Blick auf die Uhr. »Schulbuszeit?«
»Hadley ist bei einem Bewerbungsgespräch.« Mr. Hadley klang ein wenig atemlos. Er klopfte sich mit seiner fleischigen Hand auf die Brust. »Entschuldigung«, keuchte er. »Schätze, ich bin zu schnell die Treppe rauf. Wie auch immer, ich will nicht, dass meine Enkel nach Hause kommen, und niemand ist da.«
»Natürlich nicht. Als meine Kinder klein waren, bin ich immer zu Hause gewesen, wenn sie heimkamen. Man macht ihnen was Anständiges zu essen, vergewissert sich, dass sie ihre Hausaufgaben erledigen, und dann kann man in Ruhe einen trinken.«
Reverend Elizabeth de Groot wirkte schockiert. Sie war im Januar zur Diakonin von St. Alban’s bestellt worden, doch auch zwei Monate im selben Büro mit der Pfarrsekretärin hatten sie nicht an Lois’ Sinn für Humor gewöhnen können. Clare begann zu argwöhnen, dass dies auch nicht mehr geschehen würde.
»Wie geht es mit Hadleys Jobsuche voran?«, erkundigte sie sich, ehe Elizabeth eine Bemerkung machen konnte.
»Tja, leider muss ich sagen, dass es enttäuschend läuft. Früher gab’s ’ne Menge Jobs, wenn man nur hart arbeiten wollte. Heute werden alle Stellen entweder von Mexikanern besetzt oder nach Übersee verlagert.« Er machte eine Geste: Was will man machen? »Na ja, früher oder später wird sie schon was finden. Heute ist sie bei der Polizei.«
Lois und Elizabeth sahen Clare nicht an.
»Kann sie mir nur schlecht in Uniform vorstellen«, fuhr Mr. Hadley fort, ohne die angespannte Stimmung zu bemerken. »Als sie klein war, wollte sie Schauspielerin werden. Hübsch genug ist sie ja. Aber ich schätze, man kann davon nicht besonders gut leben.«
»Ich werde für sie beten«, versicherte Clare. »Sagen Sie Bescheid, wenn ich etwas Konkreteres für sie tun kann.«
»Hm.« Er zog ein nicht gerade sauberes Taschentuch heraus und wischte sich das Gesicht ab. »Falls Sie jemanden bei der
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