Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und verfluche ihre Sünden

Und verfluche ihre Sünden

Titel: Und verfluche ihre Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spencer-Fleming Julia
Vom Netzwerk:
Krankenhaus, Chief?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich fahre zu den McGeochs und sage ihnen, dass ihre Landarbeiter abgehauen sind.«
    Clares Miene, die in der einbrechenden Dunkelheit von den rot-weißen Blinklichtern eingerahmt wurde, veränderte sich. Sie hatte begriffen.
    »Kennen Sie ihn, Chief?«, fragte Flynn.
    »O ja.« Er seufzte. »Er ist mein Schwager.«
    V
    Amado hörte ihn, ehe er ihn sah. Einer seiner Leute, keine Taschenlampe, kein Rufen mit grauenhaftem Akzent: »Wir sind nicht von der Einwanderungsbehörde. Wir wollen Ihnen helfen!« Nur die stampfenden Schritte und der peitschende, krachende Lärm eines Mannes, der durch den Wald rennt. Idiot. Dünne Strahlen Mondlicht fielen durch das kahle Geäst und die Kiefern, doch das Licht reichte nicht aus, um zu rennen, als sprinte man eine Straße entlang. Er hatte viel Zeit damit verbracht, sich im Dunkel zu verbergen. Das Zauberwort hieß: langsam. Man musste sehen, wohin man ging, und sich dann bewegen wie Rauch, lautlos, sicher.
    Gott sei Dank war es nicht sein kleiner Bruder, der durchs Gehölz brach. In der Verwirrung nach dem Unfall – stöhnende, fluchende Männer, Schwester Lucia, die darauf bestand, dass es ihr gutging, trotz ihres blutigen Kopfs und der flachen Atmung – hatte er Octavios Arm gesehen. Sofort gewusst, dass der Junge ins Krankenhaus musste. Wo er sich, ohne Papiere und Arbeitserlaubnis, der Ausweisung gegenübersah. Amado hatte seine Arbeitserlaubnis und seinen Ausweis in die Tasche seines Bruders gestopft. » Du bist Amado«, hatte er gesagt. » Ich werde Octavio sein.« Octavio hatte ihn ausdruckslos angesehen, der Blick glasig vom Schock. »Sag es dir immer wieder«, hatte Amado ihn gedrängt. »Du bist Amado Esfuentes. Du bist Amado Esfuentes.«
    »Ich bin Amado Esfuentes«, wiederholte Octavio.
    Amado war so lange geblieben, wie er es gewagt hatte, bis die Lichter des Polizeiwagens oben auf der Hügelkuppe auftauchten. Dann war er mit den übrigen Unverletzten in den Wald geflohen. Sein Ausweis würde die Sicherheit seines Bruders gewährleisten. Sie sahen sich ähnlich, und die jämmerliche Imitation eines Barts, die Octavio trug, ließ die Unterschiede zwischen ihren Gesichtern noch weiter verschwimmen. Außerdem hatten Anglos sowieso Schwierigkeiten, mehr als die Hautfarbe zu sehen.
    Ein lauter Aufprall, gefolgt von einem Stöhnen, ließ ihn in die Gegenwart zurückkehren: Esteban. Er war als Einziger blöd genug, so durch die Dunkelheit zu stolpern. Amado erwog einen Moment, einfach in seiner Baumstammhöhle zu verharren. Dann hörte er ein schwaches Wimmern. Heilige Mutter Gottes. Warum die Familie diesen Jungen jemals aus dem Haus gelassen hatte, ganz zu schweigen davon, ihn nach Norden zu schicken, ging über Amados Verstand. Resigniert kroch er aus den Schatten und bewegte sich – langsam, lautlos – in Richtung des Schniefens.
    Der arme Junge lag platt auf dem Waldboden und versuchte verzweifelt, sein Schluchzen zu unterdrücken. Einige der Jüngeren erwischte es gelegentlich auf diese Weise. Amado hatte das schon vorher erlebt. Rede einem Jungen ein, er wäre ein Mann, und schaff ihn zweitausend Meilen weit weg an einen kalten, unwirtlichen Ort. Er sehnt sich nach seiner Mutter, seiner Freundin, seinem Zuhause. Er stolziert herum wie ein Kampfhahn, um seine Ängste zu verbergen, und weint in der Dunkelheit, wenn er glaubt, niemand könnte ihn hören.
    Amado war dieser Junge gewesen – früher. Er blieb hinter der Kieferngruppe stehen und hüstelte, um Esteban Gelegenheit zu geben, sich zu fassen, während er noch glaubte, nicht gesehen worden zu sein. »Ist da jemand?«, fragte Amado.
    Die Gestalt, unkenntlich in Jeans und Steppjacke, fuhr auf und kroch rückwärts, das Gesicht bleich und verängstigt. Scheiße! Ein Anglo! Er verschmolz wieder mit den Schatten, bereit zu verschwinden, als der Junge, der immer noch rückwärts kroch, gegen einen Baum prallte, was Amado zusammenzucken ließ. Es war nicht Esteban, aber er bewegte sich ebenso anmutig und koordiniert. Seine Baseballkappe fiel herunter und enthüllte lange blonde Haare.
    Also kein Junge. Definitiv kein Junge. Das Mädchen hob die Hände und flüsterte in unmöglich schnellem Englisch. Sie flehte, das konnte er an ihrem Ton erkennen, aber um was? Hilfe? Amado trat ins Mondlicht, damit sie ihn sehen konnte, die Hände ausgestreckt und offen, die Arme entspannt. »Ich tu dir nichts«, sagte er, aber sie konnte ihn natürlich nicht verstehen. Sie ballte

Weitere Kostenlose Bücher