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Und verfluche ihre Sünden

Und verfluche ihre Sünden

Titel: Und verfluche ihre Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spencer-Fleming Julia
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Er musste kein Englisch verstehen, um ihr verängstigtes Flüstern übersetzen zu können. O Gott.
    Sie beide kamen taumelnd auf die Beine, während die Stimme zu hören war, bettelnd, trügerisch. Sie erinnerte ihn daran, wie sein Großvater immer liebevoll die Hühner angesäuselt hatte, ehe er eines packte und das Beil anlegte. Die Frau sah sich panisch um, ihre langen blonden Haare flogen im Mondlicht. Zu hell. Amado hob ihre Kappe vom Boden auf und reichte sie ihr. Sie drehte ihr Haar zu einem Strang und stopfte es unter die Mütze.
    »Isobel«, sagte er leise. Sie sah ihn an, am Rand der Panik. Er legte den Finger auf die Lippen und zeigte durch die Bäume auf sein Versteck. Er bot ihr die Hand. Komm mit.
    Sie ergriff seine Hand. Ja.
    Er drehte sich um und bahnte sich den Weg zwischen den Bäumen hindurch, ließ sich Zeit, schaute erst, wohin er wollte, und bewegte sich dann. Sie zerrte an seinem Arm, schob, versuchte, ihn anzutreiben, ein Wimmern in der Kehle. Er drückte ihre Hand und tätschelte ihren Arm, einmal, zweimal, verwandelte das Tätscheln in eine Geste, die die vor ihnen liegenden Wälder umfasste. Langsam. Lautlos.
    Er trat über eine umgestürzte Kiefer und wich einem Dickicht scharfdorniger Büsche aus, das daneben wucherte. Direkt auf der anderen Seite der Dornen stand ein gewaltiger Ahorn, gespalten von Alter, einem Blitz oder Eis, dessen Krone zur Hälfte in die Höhe ragte und Knospen trug, während die andere gegen den Stamm lehnte. Die toten Äste wurden von jahrzehntealtem Laub, Kiefernnadeln und winzigen Schlingpflanzen nach unten gedrückt, so dass sich der Waldboden wie eine Woge zu erheben schien. Er zeigte dorthin.
    Sie drehte die Handflächen nach oben, signalisierte Verwirrung. Was?
    Er beugte sich vor, machte sich so dünn wie möglich und schlängelte sich an dem dornigen Gebüsch vorbei. Kleine Zweige zitterten und bogen sich, als die Dornen sich in seiner Wolljacke verhakten, aber dann war er durch, hockte sich hin und kauerte in der Öffnung des modrigen Blätter-und-Büsche-Zelts.
    Sie nickte. Folgte seiner Spur, trat dorthin, wohin auch er getreten hatte, die Arme ausgestreckt, um sich so dünn wie möglich zu machen. Die Dornen ratschten über ihre Nylonjacke.
    »Izzy? Izzy!« Die Stimme klang lauter, näher, gemeiner. Er – es war ein Er, Amado war ganz sicher – war stehen geblieben und tat so, als wollte er seine Hühner füttern. Jetzt konnten sie das Beil in seiner Hand hören. Die Frau erstarrte einen Moment, das Gesicht vor Angst verzerrt, aber ehe Amado ihr etwas Ermutigendes zuflüstern konnte, öffnete sie die Augen und machte einen weiteren Schritt. Einen, zwei, und dann war sie durch, streckte ihm die Arme entgegen. Er ergriff ihre Hände und hielt sie fest, ehe er auf das Versteck wies.
    Sie kroch, drehte sich um und rutschte auf dem Rücken hinein, tiefer und tiefer, brach kleine Zweige ab, mit einem Geräusch, das angesichts der in der Luft wütenden Stimme wie Gewehrschüsse klang. Amado kroch hinterher, so weit er konnte, und dann saßen sie Knie an Knie einander gegenüber, in einer Dunkelheit, die so vollkommen war, dass er nur das verschwommene Weiß ihres Gesichts erkennen konnte. Der Geruch, Schimmel und Fäulnis und Marihuana, machte ihn schwindeln.
    »Izzy! Gottverdammt! Komm sofort her, du Nutte.«
    Ihre Hände zitterten an seinen, und er drückte sie fest. Sie hatte Schwielen, ebenso wie er. Eine Frau, die an harte Arbeit gewöhnt war, genau wie er. Selbst in seinem festen Griff zitterten ihre Hände. Er zog, sanft, bestimmt, bis sie sich vorbeugte und er einen Arm um sie legen und ihren Kopf in seiner Halsbeuge bergen konnte. Sie schauderte und atmete tief ein. Hörte auf zu zittern. Er hielt sie, dieser Fremde, schützte sie vor der Stimme, die tobte und kreischte und Dinge androhte, die er sich nicht einmal vorstellen konnte.
    VI
    Die Oberschwester der Notaufnahme des Washington County täuschte eine Begriffsstutzigkeit vor, die Clare lustig gefunden hätte, wäre sie weniger müde gewesen.
    »Reverend Clare? Sind Sie das?« Alta kam um die Rezeption herum, ohne den Blick von Clares Uniform abzuwenden, deren Kaffeeflecken-Design mittlerweile durch mehrere Streifen zerquetschten Grüns und laubbraune Flecken ergänzt wurde, nachdem sie zwei Stunden im Wald herumgekrochen war, auf der vergeblichen Suche nach den vermissten Männern. »Gütiger Himmel, haben Sie das Pfarramt aufgegeben? Hatten Sie nicht erst letzte Woche Dienst?«
    Clare diente

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