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Und verfluche ihre Sünden

Und verfluche ihre Sünden

Titel: Und verfluche ihre Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spencer-Fleming Julia
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ihre Hände zu Fäusten – nicht gut – und sagte etwas, trotzte offensichtlich ihrer Angst. Ein Wort erkannte er: Polizei.
    »Ich bin nicht von der Polizei«, sagte er. Langsam, die Arme weiter abgespreizt, setzte er sich auf die rostige Matte aus Kiefernnadeln unter ihnen. Machte sich kleiner. »Keine Polizei.«
    »Keine Polizei«, wiederholte sie auf Englisch.
    Er nickte. »Keine Polizei.« Er lächelte sie an. »Ich verdiene mein Geld mit Kühemelken.« Er imitierte die altmodische Bewegung des Handmelkens. »Ich schaufle Mist.« Er schwang eine unsichtbare Ladung mit einer eingebildeten Mistforke. »Ich fahre Heu ein« – das konnte man nicht nachmachen –, »und am Ende des Tages trete ich mir die Scheiße von den Stiefeln.« Er wischte sich die Stiefelsohlen am Waldboden ab. Beruhigende Sätze, die Art Unsinn, die er dem Vieh zuraunte, während er arbeitete. All diese Worte, die zusammen nur eins bedeuteten: Ich bin keine Bedrohung für dich.
    Sie trat von der riesigen Kiefer weg, die ihr als Stütze gedient hatte. Sie beugte sich ein bisschen vor, um ihn besser sehen zu können. Im Licht des Mondes erkannte er, dass sie kein Mädchen war, sondern eine Frau in seinem Alter. Außerdem ahnte er nun, warum sie sich in ihrem eigenen Land – zumindest nahm er das an – vor der Polizei versteckte. Sie roch nach Marihuana.
    Sie sagte etwas. Er verstand das Wort Mexikaner.
    »Ja«, erwiderte er. »Ich bin Mexikaner. Aus Oaxaca.« Nicht, dass sie wüsste, wo das lag. Eine Hand an der Wolljacke, verbeugte er sich so gut, wie es ihm im Schneidersitz auf dem kalten Boden möglich war. »Amado Esfuentes, zu Ihren Diensten.«
    »Amado Esfuentes«, wiederholte sie.
    Er nickte. Fragte sich, ob er sich als Octavio hätte vorstellen sollen. Er musste sich daran gewöhnen. Andererseits, sie würde ihn wohl kaum den Behörden melden, nicht wahr?
    Sie lächelte ein wenig und beugte sich etwas mehr herunter, wie ein neugeborenes Kalb, das ihn durch die Hinterbeine der Mutter beobachtete. Sie imitierte seine Bewegung und strich ihre Steppjacke glatt, was zeigte, dass sie absolut definitiv eine Frau war. »Isabel«, sagte sie. »Isabel Christie.«
    Englische Vokale klangen immer so flach. »Isobel Christie«, sagte er.
    Sie lächelte wieder, breiter jetzt. »Genau, Isobel.«
    Langsam, eine Hand weiterhin ausgestreckt, so dass sie sie sehen konnte, griff er in seine Jackentasche. Sie schrak zurück. »Alles in Ordnung«, sagte er in demselben Ton, den er angeschlagen hätte, um eine nervöse Kuh oder ein ängstliches Pferd zu beruhigen. Er zog einen extragroßen PayDay-Schokoriegel heraus und hielt ihn ihr hin. »Hast du Hunger?« Er wedelte mit der Süßigkeit. »Nur zu. Du kannst ihn haben. Ich habe noch mehr.«
    Sie streckte die Hand aus und griff mit den äußersten Fingerspitzen nach dem Riegel, und dann war er, schneller, als das Auge verfolgen konnte, von seiner Hand in ihre gewandert. Er nickte wieder und holte einen zweiten Riegel für sich selbst heraus.
    Sie riss die Verpackung auf und schlang das Konfekt herunter, als wäre dies heute ihre erste Mahlzeit. Als er das Dope gerochen hatte, war er davon ausgegangen, dass sie Hunger hatte.
    Sie beäugte den Riegel in seiner Hand. Er zog noch einen PayDay heraus – seinen letzten – und reichte ihn ihr. Diesmal nahm sie ihn eher entgegen, als ihn ihm aus der Hand zu reißen, und setzte sich ihm gegenüber, das Gesicht ihm zugewandt. Sie aß den zweiten Riegel fast ebenso schnell wie den ersten, dann beobachtete sie ihn, während er seinen langsam aß, die Erdnüsse zwischen den Zähnen zermalmte.
    »Nun«, sagte er auf Spanisch. »Jetzt habe ich mich vorgestellt und über meine Arbeit und mein Zuhause gesprochen und eine Mahlzeit geteilt. Das habe ich zum letzten Mal bei einer arrangierten Verabredung mit der Schwägerin meines Freundes Geraldo getan. Ich nehme an, ich müsste dich jetzt nach Hause begleiten und mich deinen Eltern vorstellen.«
    Sie zog die Knie an und schlang die Arme darum. Sie sagte etwas zu ihm, und ihr Ton war so angenehm, dass er sich wünschte, er könnte sie verstehen. Dann lächelte sie ihn strahlend an.
    »Vielleicht ist dies das Geheimnis guter Beziehungen zwischen Männern und Frauen«, bemerkte er. »Kein Wort von dem zu verstehen, was der andere sagt.«
    In der Ferne hörte er eine hohe, dünne Stimme. »Izzy!«, rief sie. »Izzy!«
    Das Lächeln auf ihrem Gesicht verblasste. Ihre Augen wurden so groß, dass man das Weiße erkennen konnte.

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