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Und verfluche ihre Sünden

Und verfluche ihre Sünden

Titel: Und verfluche ihre Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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Vielleicht hatte sie in den stillen Momenten des Tages an ihn gedacht, war beim Anblick des Heus im Kuhstall stehen geblieben, hatte geträumt, wenn die Männer von ihren Frauen daheim sprachen …
    Er riss sich zusammen. Der Messergriff in seiner Hand war glitschig. Er sollte sich selbst in den Schenkel stechen. Vielleicht würde ihm das helfen, sich zu konzentrieren. Er erreichte den Eingang. Schleppte sich über die Schwelle. Hörte ihr Flüstern. »Amado?«
    Einen Sekundenbruchteil befürchtete er eine Falle, aber dann eilte sie über die Ballen auf ihn zu. Ihr Haar flog hinter ihr her wie eine Fahne. Sie warf sich ihm mit ausgebreiteten Armen entgegen, und ihm blieb nichts anderes übrig, als sie unbeholfen zu umarmen. Dann verlor er das Gleichgewicht, und sie beide fielen übereinander ins Heu.
    Sie redete, ein Strom englischer Wörter ergoss sich wie kabbelige See über ihn, und er konnte Erleichterung und Furcht und die Bitte um Verzeihung in ihrer Stimme erkennen. Er rollte sich auf die Seite, ließ sie hinuntergleiten, und diese Bewegung schien ihr zu Bewusstsein zu bringen, wo sie waren, Brust an Brust, Arm an Arm, die Beine ineinandergeschlungen. Sie sagte etwas, rasch und leise, und krabbelte außer Reichweite. Als sie sich wieder umdrehte, waren ihre Wangen blassrosa.
    Er setzte sich auf. Ordnete seine Gedanken. Er durfte nicht zulassen, dass Gefühle sein Urteil beeinträchtigten. »Deine Brüder«, sagte er, »Octavio holen.« Er stand auf. Er war nicht größer als sie, aber stark. Sehr stark. »Wo?«
    Sie wich zurück. Er kam sich vor wie ein Mistkerl, aber er funkelt sie weiter drohend an. »Wo?«
    »Octavio?« Eine weitere Flut von englischen Wörtern, Fragen diesmal.
    Er hob die Hand. E wollte nicht, dass sie erfuhr, in welcher Beziehung er und Octavio zueinander standen. Alles, was sie wusste, konnten ihre Brüder aus ihr herausprügeln. »Octavio arbeitet« – er malte ein Kreuz in die Luft – »la iglesia.«
    »Die Kirche?«
    »Die Kirche, ja. Deine Brüder ihn holen.«
    »Mi Familia«, sagte sie, »hat ihn nicht. Nein.« Sie spreizte die Hände. »Ich frage. Sie haben ihn nicht. Yo promesa. «
    »Du versprechen? Du versprechen?« Er spuckte neben seine Arbeitsstiefel ins Heu. »Deine Brüder lügen.«
    »Nein.« Sie hätte beleidigt oder wütend sein sollen, aber stattdessen wurde ihr Gesicht weich. Sie trat auf ihn zu, zögernd, als könnte er sie packen und schlagen wie dieser perverse Rohling von Bruder.
    Heilige Mutter Gottes. Was für ein Mann war er eigentlich, dass er eine Frau einschüchterte, die gelernt hatte, sich vor einer erhobenen Hand zu fürchten? Er streckte die Arme nach ihr aus. »Isobel«, sagte er. Sie kam zu ihm, ohne Zögern jetzt, und er hielt sie wie ein Kind, und sein Ärger und Elend verebbten, während er murmelte: » Lo siento. Es tut mir leid. Lo siento. «
    Nach kurzer Zeit schob sie ihn weg. Er ließ sie sofort los. Sie stand ihm gegenüber, die Lippen fest zusammengepresst, die Augenbrauen gerunzelt, der Ausdruck eines Menschen, der versucht, einen schwierigen Sachverhalt in einfachen, verständlichen Worten auszudrücken. » La policia fragt nach …« Sie runzelte die Stirn. »Octavio?«
    »Octavio.«
    » La policia fragt meine Brüder.« Mit in die Hüften gestemmten Armen imitierte sie einen kräftigen Mann, dann hielt sie einen Arm nach vorn, eine Aufforderung zum Stehenbleiben. »Nicht hier«, sagte sie mit schroffer Stimme. »Kein Octavio.« Dann sprach sie wieder normal »Ich frage meine Brüder. Sie …« Sie hielt sich den Bauch und tat, als würde sie lachen. »Ha-ha-ha!«
    »Risa.«
    » ¿Risa? Lachen?« Sie nickte. »Meine Brüder …« Wieder spielte sie den großen Mann, mit tiefer Stimme. »El hombre de la iglesia? Pfft.« Sie machte eine ausladende Was juckt’s mich -Geste. Dann verwandelte sie sich zurück. »Ich frage, me promesa? Meine Brüder …« Wieder verstellte sie ihre Stimme. »Ja. Promesa. «
    Sie beendete ihre Vorstellung. » Lo siento, Amado.« Er hörte, dass sie die Wahrheit sagte. Eine vorsichtige Stimme in seinem Inneren flüsterte: Sie könnte eine brillante Lügnerin sein, aber eines hatte er auf seinen Reisen durch das fremde Land gelernt: Manchmal musste man einfach vertrauen. Und glauben. Er wollte Isobel glauben. Er wollte es unbedingt.
    Er griff nach ihrer Hand. Der Preis für den Glauben war der Verlust seiner Hoffnung, Octavio zu finden. Denn wenn die Christies ihn nicht hatten, wer dann? Wie sollte er ihn

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