Und verfluche ihre Sünden
du und deine Narreteien!« Sie wandte sich ab und sah zu ihm auf. »Russell, Sie geben Warren doch Bescheid, was passiert ist, nicht wahr? Er macht sich immer solche Sorgen um mich.«
»Selbstverständlich.« Er öffnete die Tür.
»Seien Sie artig!« Geraldines Stimme tönte hinter ihm her. »Tun Sie nichts, was ich nicht auch tun würde. Und falls doch, lassen Sie sich nicht erwischen.«
Auf der Fahrt zurück über die Route 17 sah ihn Knox mehrmals von der Seite an, als würde sie ihn gern etwas fragen, traute sich aber nicht. Er nahm an, dass es um ihn und Clare ging, deshalb war er überrascht, als sie fragte: »Finden Sie es nicht irgendwie frustrierend, den ganzen Tag Händchen zu halten und Nerven zu beruhigen?« Er warf ihr einen Blick zu. »Ich meine«, fuhr sie fort, »es ist doch eher Babysitten als Polizeiarbeit.«
»Haben nicht Sie gesagt, ein Polizist zu sein wäre wie Mutter sein?«
»Ach, Mist.« Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen. »Das hab ich, nicht? Ich kann immer noch nicht fassen, dass ich so was bei einem Bewerbungsgespräch gesagt habe.«
»Ach was. Das ist einer der Gründe, warum ich Sie eingestellt habe.« Die Ampel an der Kreuzung vor ihnen sprang auf Rot. Er nahm den Fuß vom Gaspedal. »Manchmal ist es schon ein bisschen frustrierend, stimmt. Hauptsächlich, weil ich gern Fortschritte in diesem Fall erzielen würde und nichts passiert. Aber ich versuche, daran zu denken, dass für die meisten Leute hier Polizeiarbeit genau daraus besteht: Sich vergewissern, dass Mom nicht mit gebrochener Hüfte allein im Haus liegt; Raser in der Nähe von Schulen und Parks anhalten; den Nachbarn auffordern, die Musik leiser zu drehen, damit alle in Frieden miteinander leben können.«
»Wünschen Sie sich jemals, dass es … ich weiß auch nicht … aufregender wäre?«
»Ich war über zwanzig Jahre bei der Militärpolizei. Glauben Sie mir, ich hatte Aufregung genug. Nein, ich habe gewusst, was mich erwartet, als ich in meine Heimatstadt zurückgekehrt bin.« Die Ampel sprang auf Grün, und er rollte auf die Main Street. »Und Sie?«
Sie wirkte überrascht, dann nachdenklich. »Ich weiß nicht. Aber ich wusste auch, was ich wollte.«
Er rechnete mit frische Luft oder einen sicheren Ort, um meine Kinder aufzuziehen oder einen Neuanfang.
Sie schürzte die Lippen. »Anonymität.«
»Oh.« Er holperte mit dem Streifenwagen über die Bordsteinkante auf den Polizei-Parkplatz. »Ich nehme an, dem Rest der Welt erscheint Millers Kill ziemlich anonym.« Er drehte den Schlüssel in der Zündung, und der Motor erstarb. »Aber selbstverständlich kann man in der Stadt nicht mal jemanden zum Tanz auffordern, ohne dass sich alle das Maul zerreißen.«
Als sie ausstiegen, überrollte sie die Hitze, die in Mrs. Bains grasbewachsenem Hof so angenehm und träge gewesen war, wie eine teerverschmierte Dampfmaschine. Er wollte nur noch hinein, ausstempeln und zum Haus seiner Mutter fahren, wo er sich bis auf die Shorts ausziehen und versuchen konnte, im Garten eine Brise zu erwischen.
Clares Haus war bestimmt kühl. Sie betrachtete Klimaanlagen als ihr verfassungsmäßiges Recht. Letzten Sommer hatte er ihr geholfen, eine Fensteranlage einzubauen. Sie hatte bestimmt Eistee – süß, wie man ihn unten im Süden zubereitete – und kaltes Bier. Ein Glas für ihn und eine Flasche für sie. Er könnte es sich in einem ihrer übergroßen Sessel bequem machen, und sie würden reden.
Klar. Reden.
Er wusste schon, dass etwas passiert war, als er den Eingangsbereich betrat. Er konnte das Summen der Gespräche bis in den Flur hören. Eric tauchte grinsend aus dem Dienstraum auf. Er winkte ihnen fröhlich zu. »Ich bin weg. Mein Sohn hat ein Spiel.«
»Was ist los?«, fragte Russ.
Erics Grinsen wurde breiter. »Schauen Sie selbst.«
Russ marschierte hinein, Knox auf den Fersen. Lyle und Kevin beugten sich über den Tisch, die Köpfe dicht nebeneinander, und prüften etwas, das aussah wie ein Rundschreiben. »Was ist das?«, fragte Russ.
Lyle blickte grinsend auf. »Wir haben den ersten John Doe identifiziert. Er heißt Rosario de las Cruces, zuletzt wohnhaft in Prendiepe, Mexiko. Die Agencia Federal de Investigación hat uns einen Arsch voll Informationen über ihn geschickt.« Er winkte Kevin zurück und gab Russ die Unterlagen. »Er gehörte zu den Punta Diablos, die beiderseits der Grenze arbeiten: Dope nach Norden, Waffen nach Süden. Er hat eine Zeitlang gesessen, im Federales de irgendwas; das
Weitere Kostenlose Bücher