Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und verfluche ihre Sünden

Und verfluche ihre Sünden

Titel: Und verfluche ihre Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
Vom Netzwerk:
anderen Seite des spartanisch eingerichteten Zimmers, wo sie auf ihrem Betschemel kniete. Das Morgengebet.
    »War ich so gut?«
    Ohne ihn anzusehen, hob sie die Stimme. »Segne auch, Herr, die Alten und Schwachen, besonders deinen Diener Russ Van Alstyne …«
    Er schleuderte ein Kissen nach ihr. Sie lachte, betete aber schweigend weiter. Er warf die Decke zurück und tappte nach unten, um Kaffee zu kochen.
    Ihre Reisetasche stand schon an der Tür.
    Nachdem er Clares schicke Kaffeemaschine in Gang gesetzt hatte, ging er zurück nach oben, mit schmerzender Hüfte, wie neuerdings häufiger, und zog sich an. Ihre Dusche lief. Er öffnete die Tür einen Spalt und ließ den Dampf entweichen. »Ich hole meinen Truck«, rief er.
    »Okay.«
    In den beiden vergangenen Wochen hatte er seinen Truck über Nacht entweder bei Tick Solway geparkt, gegenüber der Kirche oder in der Einfahrt eines Paars, das über den Winter verreist war, oder an der Washington Street, mehrere Blocks entfernt. Er nahm an, dass mehr als eines ihrer Schäfchen vermutete, dass sie ihre Nächte nicht mehr allein verbrachte, aber niemand schien eine Frau verurteilen zu wollen, die in den Krieg zog.
    Sein Magen bäumte sich auf.
    Während der Motor warmlief, fegte er die Schneeschicht von der Windschutzscheibe und fuhr dann die drei Blocks zu Clare. Er ließ den Motor laufen. Klopfte seine Stiefel ab und betrat die Küche. »Bist du fertig?«
    Ihr Haar war noch seehundglatt vom Duschen, bereits hochgesteckt. Sie wollte es in Fort Drum schneiden lassen, hatte sie ihm gesagt. Sie goss den Kaffee in einen Reisebecher. »Fertig.«
    Auf der Fahrt nach Latham schwiegen sie. Der Himmel war stahlgrau, verhieß bis zum Mittag weiteren Schneefall. Sie sah aus dem Fenster, ließ den Northway an sich vorüberziehen, und ihm war, als hätte sie ihn bereits verlassen.
    »Ich möchte, dass du mich einfach am Depot absetzt«, sagte sie, als sie sich durch den Verkehr in Albany schlängelten.
    »Okay.«
    »Sie veranstalten einen großen Abschied, mit Kapelle, und die jungen Ehefrauen tragen Rot, Weiß und Blau, und die Eltern versuchen, nicht zu weinen. Ich hasse das.«
    »Okay.«
    Sie rieb die Hände an der Uniform. Hinter Albany kam Latham. Hatte Linda so empfunden, als er an den Golf und nach Panama geschickt wurde? Wie hatte sie das ausgehalten? Er schickte eine Bitte um Vergebung an die Stelle, an der er die Erinnerung an sie bewahrte.
    Clare drehte sich zu ihm um. »Woran denkst du gerade?«
    »Ich habe meine Meinung geändert. Ich finde, Frauen sollten sich nie und auf keinen Fall auch nur in der Nähe einer Kampfzone aufhalten.«
    Sie lachte.
    Und dann waren sie da, am Tor, sie zeigte ihren Ausweis, sie parkten auf dem Asphalt vor dem Depot. Kriegsschiffgraue Busse warteten in einer Reihe, um das Bataillon nach Fort Drum zu bringen. Sie starrten ihn an.
    Er rührte sich als Erster, stieg aus, holte ihren Rucksack, öffnete ihr die Tür. Sie sprang heraus. »Danke.«
    Sie sah zu ihm auf, als wollte sie etwas sagen, wüsste aber nicht, wo anfangen. Er wusste, wie sie sich fühlte. Er hätte Angst, sie würden den ganzen Tag dort stehen, wenn er erst einmal anfing zu reden, so viele Dinge gingen ihm durch den Kopf. Stattdessen zog er sie heftig an sich. So blieben sie lange stehen. Sie trat als Erste zurück. Er hatte immer vermutet, dass sie stärker war als er.
    Sie kramte in ihrer Tasche. Zog etwas Silbernes heraus. »Ich möchte, dass du das für mich aufbewahrst, bis ich wiederkomme.« Sie drückte es in seine Hand. Es war das Kreuz, das sie immer zu ihrem Ornat trug.
    Er lächelte schief. »Ich sehe es schon vor mir. Vermutlich gehe ich regelmäßig zur Kirche, nur um dort zu sein, wo du gewesen bist, wie ein alter Hund, der immer wieder zu einem leeren Sessel läuft.«
    »Tja.« Sie schulterte ihren Rucksack. »Sie wollten, dass ich mehr Besucher ranschaffe. Alter Hund.«
    Er fing ihre Hände ein. Presste sie zusammen. »Ich halte dich«, sagte er. »Egal, wo du bist, egal, was du tust. Zweifle nie daran. Ich halte dich.«
    Sie neigte den Kopf. Drückte sich einen Moment an ihn. Holte tief Luft. Richtete sich auf. In ihren Augen schwammen helle Tränen, aber es gelang ihr zu lächeln. »Nicht loslassen«, sagte sie.
    Dann tat sie genau das. Gab seine Hände frei. Sie wandte sich ab und lief zum Depot. Er sah ihr hinterher, als sie den Asphalt überquerte, eine mittelgroße Frau in Kampfmontur und Militärstiefeln. Er sah ihr nach, bis sie im Inneren

Weitere Kostenlose Bücher