Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall
hast du gekocht?«, fragte er Mira schroff.
»Huhn, gefüllt mit Pistazien, Ei und Ingwer«, antwortete Mira, ohne ihn anzusehen. »Dazu kannst du naan haben.« Sie bückte sich, um das Huhn aus dem Herd zu nehmen. Ein Schwall heißer, würziger Luft stieg aus der Backröhre, und Van Leeuwen spürte, wie ihm das Wasser im Mund zusammenlief.
»Ich nehme es mit nach draußen«, sagte Shak. »Es schmeckt mir nicht, wenn ein Polizist mit am Tisch sitzt.«
»Mir auch nicht«, sagte Pamit.
Van Leeuwen schwieg. Er sah sich in der kleinen Küche um, unwillkürlich auf der Suche nach einem Messer zum Zimtschälen, kurze Klinge, Vogelschnabel, aber er konnte keins entdecken, und er hatte auch nicht wirklich damit gerechnet. Er dachte, dass der einzige Unterschied zu tausend anderen Küchen in der Fülle der Gewürze in einem breiten Regal an der Wand neben der Tür lag. Das Regal stand weit genug vom Herd, sodass Hitze und Feuchtigkeit ihr Aroma nicht beeinträchtigten.
Als Shak und Pamit mit ihren Tellern die Küche verlassen hatten, fragte der Commissaris auch Mira nach dem Tag, an dem Amir Singh zum ersten Mal den Palast der 1000 Gewürze betreten hatte.
»Ich wusste sofort, das wird Probleme geben«, sagte Mira. Sie füllte eine Kelle voll Suppe in einen tiefen Teller und stellte ihn auf den Tisch. »Möchten Sie auch etwas Suppe? Das Huhn ist gut, nicht zu scharf gewürzt.«
»Riecht lecker«, sagte Van Leeuwen. »Aber wenn ich jetzt etwas esse, werde ich träge.«
»Stört Sie doch nicht, wenn ich was esse, während wir reden, oder?« Sie wartete seine Antwort nicht ab, sondern setzte sich, schlug die langen, schlanken Beine übereinander und kostete von der Suppe.
»Was für Probleme?«, fragte der Commissaris.
»Shak ist sehr misstrauisch allen Fremden gegenüber«, antwortete Mira. »Ein Hitzkopf. Er denkt, jeder Mann ist ein Rivale, im Geschäft, bei Radschiv, bei mir. Ich konnte sehen, wie er und Pamit Amir beobachteten. Sie standen in der Halle und sahen zu, wie ihr Vater Amir durch die Halle führte und ihm erklärte, wo die ganzen Gewürze herkamen, wie sie schmeckten und rochen, was sie bewirkten. Wie er ihm eine Einführung in ihre Welt gab ...«
Mira löffelte die Suppe und erzählte dabei, und Van Leeuwen hörte Radschiv Sharma reden und stellte sich vor, wie er den Toten, der damals noch nicht tot gewesen war, an den Regalen in der Halle entlangführte. Das ist der Geruch der Heimat, sagte er, der Geschmack des Punjab, der Duft Indiens in diesen Dosen und Gläsern. Riechst du das? Zimt, Nelkenessenz, Curryblätter, Kardamom, Muskatnuss, Pfeffer. Gewürze sind nicht nur zum Kochen und Essen da, Amir. Sie sind kostbare Aromen, Arzneien und Aphrodisiaka, Ingredienzien von Parfums und magischen Zaubertränken. Du weißt nicht, wovon ich spreche? Macht nichts, ich werde dir alles beibringen, du wirst echten Zimt von falschem unterscheiden lernen, Muskatblüten von Muskatnuss, grünen Kardamom von braunem, und bald wirst du nicht nur wissen, dass Kardamom neben Safran und Vanille zu den drei teuersten Gewürzen der Welt gehört, sondern auch seinen Wert genau kennen, den Preis für das Gramm, die Unze, das Pfund.
»Sie hätten Shaks Augen sehen sollen – wie Flammenwerfer«, sagte Mira. »Er sagte etwas zu Pamit, ohne den Blick von Amir zuwenden, und Pamit nickte und rückte etwas dichter an seinen Bruder heran. Radschiv führte Amir immer tiefer in die Halle hinein, und plötzlich drehte Shak sich um und kam auf mich zu, und ich konnte sehen, wie wütend er war, wie der Zorn ihn geradezu vorwärtsstieß. Als er bei mir war, zischte er: Was soll der Penner hier? Warum hast du Papa gesagt, er soll ihm Arbeit geben? Du bist blind! Der braucht keine Hilfe, das ist ein Spitzel. Ich traue ihm nicht! Er war so wütend, dass er mich fast angespuckt hätte, und ich weiß noch, dass ich dachte, er ist ja eifersüchtig! Weil Amir so schön war, wissen Sie. Shak will einfach nicht begreifen, dass ich mich nicht für andere Männer interessiere, für niemand außer Radschiv. Was für ein Spitzel?, habe ich gefragt. Von wem?
Vom Zoll, hat er geflüstert, von dem Mann im schwarzen Wagen, dem, der uns keine Ruhe lässt. Er hat geflüstert, aber es klang, als hätte er geschrien, als wollte er mich mit den Worten ohrfeigen. Und dann sah es ja auch so aus, als hätte er recht behalten; als hätte uns jemand ein Kuckucksei ins Nest gelegt –«
Sie verstummte unvermittelt und kniff die Augen zusammen, als hätte sie
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