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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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linken Seite des Tors zu. Der Commissaris folgte ihm. Shak öffnete die Tür und hielt sie so lange auf, bis Van Leeuwen hindurch war. Es gab einen automatischen Türschließer, der sie hinter ihm wieder ins Schloss drückte. Auf der anderen Seite erstreckte sich ein fensterloser Gang mit weiß gestrichenen Betonwänden und vergitterten Deckenlampen, deren Stromleitungen über dem Putz verliefen. Drei dunkelgrün lackierte Eisentüren wechselten sich mit einem roten Feuerlöscher und einer Axt in einem roten Metallkasten ab. Eine der Türen stand offen. Dahinter erklang Geschirrklappern, Fleisch zischte in heißem Fett. Ein Radio lief, und Essensgeruch zog in den Gang.
    »Was ist hinter den anderen Türen?«, wollte der Commissaris wissen.
    »Die Toilette und unser Zimmer, in dem Pamit und ich schlafen«, erklärte Shak.
    »Darf ich einen Blick hineinwerfen?«
    »Warum wollen Sie das sehen?«
    »Ich will immer alles sehen«, sagte Van Leeuwen.
    Shak nickte. Er öffnete eine der Eisentüren, die zu einem kleinen Raum mit einem vergitterten Fenster führte.
    In dem Raum standen zwei niedrige Holzbetten an den gegenüberliegenden Wänden, ein kleiner Schreibtisch, ein Stuhl, ein Holzschrank und eine Kommode mit einem Fernsehapparat und einem C D-Player darauf. Am Fenster hing ein Vorhang aus grobem gelben Stoff. Auf dem Steinboden lag ein dünner Flokati mit einem orientalischen Muster. Unter den Betten standen mehrere Paar Sneakers.
    Der Unterschied zwischen den beiden Hälften des Zimmers war so stark, als hätte es auf das eine Bett geschneit, nur auf eins, während das andere in der Sonne stand. Die Betten waren gleich groß, aber das linke wies nichts als eine glatt gestrichene Bettdecke, einflaches Kopfkissen und helle Laken auf. An der Wand darüber hing kein Bild und auch kein anderer Schmuck.
    Auf dem zweiten Bett lagen bunte Decken und ein großes Kissen, und es war unbeholfen zurechtgemacht. Unter der Decke zeichnete sich ein Stofftiger ab, dessen Kopf ein Stück hervorschaute. An der Wand klebte ein großes Plakat des goldenen Tempels von Amritsar, dessen Abbildung der Commissaris als Illustration des Artikels über die Sikh-Religion gesehen hatte. Daneben hing ein kleines Regal, auf dem eine Blume mit einer großen roten Blüte in einem Keramiktopf stand. Außer der Blume gab es noch einen reich verzierten Krummdolch aus lackiertem Holz und die ungerahmte Fotografie einer Frau, einer Inderin mit grauen Haaren und einem roten Punkt auf der Stirn. Die Frau trug ein buntes Gewand, und das Foto war zerknittert und an einigen Stellen ganz abgegriffen.
    »Ist das Ihre Mutter?«, fragte der Commissaris.
    »Vharma, ja«, bestätigte Shak.
    Van Leeuwen stand in der Mitte des Zimmers. Die beiden Hälften erzählten ihm etwas, das er noch nicht ganz verstand. Deswegen versuchte er so viel wie möglich von seinen Geheimnissen aufzunehmen und zu speichern, bis er genug wusste, um das Puzzle zusammenzusetzen. Er fragte: »Ist irgendetwas hier drin von Amir? Hat er Pamit etwas geschenkt? Wenn der Junge ihn so bewundert hat –«
    »Bitte, sprechen Sie nicht so laut«, sagte Shak leise. »Er hört alles. Er versteht nicht alles, was er hört, aber er hört so viel, dass er manchmal schreien muss, weil es zu viel für ihn ist.« Seine Nasenflügel fingen wieder an zu zucken. »Nein, Amir hat Pamit nichts geschenkt. Er brauchte das nicht. Die Herzen flogen ihm ganz von allein zu ...«

12
    Mira stand in der Küche am Herd, und als der Commissaris mit Shak durch die offene Tür trat, versteifte sich ihr Rücken, aber nur einen Moment lang. Sie trug ein hellblaues Männerhemd, ausgebleichte,über den Knien abgeschnittene Jeans und weiße Flipflops an den bloßen Füßen. Ihre Beine waren nackt und braun wie Haselnussschalen. Der Commissaris bemerkte eine Gänsehaut an den Waden, und dann sah er, dass Shak auf Miras Beine starrte und dass sie es spürte. Ihr Haar war strähnig und dunkel vom Küchendunst; auf ihrem Nacken lag ein feiner Schweißfilm.
    »Guten Tag, Mevrouw Halawi«, sagte der Commissaris.
    Sie drehte sich kurz zu ihm um und nickte knapp, sagte aber nichts.
    Pamit saß an dem großen dunkel gebeizten Küchentisch und löffelte eine curryfarbene Suppe. Dabei summte er eine Melodie, die sich um sich selbst zu drehen schien. Als er Shak sah, trat ein Lächeln auf sein Gesicht; es leuchtete, als wäre ein Sonnenstrahl daraufgefallen. Shak trat zu ihm und fuhr ihm mit der Hand durch das dichte schwarze Haar. »Was

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