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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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von dessen oberstem Deck aus der Blick auf die Dächer der Stadt bis zur Centraal Station und dem Nordseekanal reichte. Das überdachte Stockwerk darunter hatte die Polizeibehörde für ihre Offiziere gemietet. Es war abgesperrt und videoüberwacht, und seit Simones Zustand sich verschlechtert hatte, ließ Van Leeuwen den Alfa lieber hier stehen statt vor dem Haus an der Egelantiersgracht.
    Nur der Polizeipräsident, Hoofdcommissaris Jaap Joodenbreest, hatte einen eigenen Parkplatz im Präsidium, und eben dieser Hoofdcommissaris verspürte schon eine unbezähmbare Sehnsucht nach Van Leeuwen, wie Ton Gallo den Commissaris umgehend wissen ließ, als er sein Büro betrat. »Der Ayatollah hat schon zweimal angerufen, und beim letzten Mal klang seine Stimme, als wäre er kurz davor, seinen Turban aufzufressen.«
    »Allah ist groß«, sagte Van Leeuwen.
    Das Büro des Hoofdcommissaris befand sich auf demselben Stockwerk am Ende eines holzgetäfelten, mit Parkett ausgelegten Gangs, der eher zu einer Bibliothek zu führen schien als zum Schreibtisch des Oberfehlshabers aller Polizisten und Polizistinnen des Distrikts Amsterdam-Amstelland. Zwei hölzerne Schwingtüren mit Glaspaneelen öffneten sich automatisch, als Van Leeuwen die Lichtschranke durchschritt. Er marschierte den halbdunklen Flur entlang und klopfte an die Tür mit dem Schildchen Hoofdcommissaris Jaap Joodenbreest . »Herein, herein !«, rief die Stimme des Hoofdcommissaris.
    Van Leeuwen gehorchte. Das Büro roch nach Holzpolitur und Rückständen eines starken Aftershaves. Durch das blitzblank geputzte Fenster flutete so viel Licht herein, dass Van Leeuwen denHoofdcommissaris nur als schmalen Schattenriss hinter seinem Schreibtisch erkennen konnte. Unter dem Fenster lag der Innenhof mit einem künstlich angelegten Mischwald, in dem ein holzgeschnitzter Fischreiher, ein reetgedeckter Pavillon und zwei Steinmonolithen etwas verloren zwischen immergrünen Bäumen und Farnen standen.
    »Setz dich doch«, sagte der Hoofdcommissaris.
    »Danke«, sagte Van Leeuwen und blieb stehen. Obwohl draußen helllichter Tag war, brannten an der Decke des Raums zwei fahle Leuchtstoffröhren. Sämtliche Einrichtungsgegenstände – Stühle, Aktenschrank, Schreibtisch und Konferenzecke – strahlten die karge Funktionalität von modernem Büromaterial aus, Glas, Holz und dunkles Leder. Den einzigen Farbtupfer bildete das Modell eines Streifenwagens neben dem Telefon, das sich an der makellos polierten Schreibtischplatte festgesaugt zu haben schien wie ein blauweiß-roter Blutegel. An der Wand hinter dem Schreibtisch hing das Emblem der Polizei von Amsterdam, ein gezücktes Schwert auf einem offenen Buch.
    Der Hoofdcommissaris saß leicht vornübergebeugt, als wäre er sich selbst im Sitzen seiner Größe von einem Meter neunzig bewusst. Er trug seine mit Litzen, Knöpfen und Bordüren verzierte Amtsuniform, die bei jeder Bewegung blinkte und funkelte, sodass er aussah wie ein mit Lametta geschmückter blauer Weihnachtsbaum bei schwachem Wind. Seine schwarzen Slipper waren so lange gewienert worden, bis sie an die lackierten Hufe eines Rennpferds erinnerten. Sein Haar war semmelblond, und seine Haut wirkte stets leicht gerötet. Sein Lächeln hätte auf die Schneide einer Rasierklinge gepasst. »Wie geht es deiner Frau ?«, fragte er.
    Van Leeuwen antwortete nicht, denn er wusste nie, wie er über Simones Zustand reden sollte, ohne ein Gefühl des Verrats zu verspüren.
    »Gibt gute und schlechte Tage, wie ?«, meinte der Hoofdcommissaris. »Da fällt mir ein Gedicht ein, von Bob Dylan, kennst du bestimmt – Geh nicht so sanft in diese gute Nacht ... oder so ähnlich.«
    » Das Alter soll lodern, rasen, wenn der Tag sich senkt «, fiel Van Leeuwen ihm rasch ins Wort, denn er ertrug es nicht, diese Zeilen aus dem Mund des Hoofdcommissaris zu hören, » so wüte, wüte doch, dass man das Licht dir umgebracht ... Dylan Thomas, Jaap. Das war der ohne Mundharmonika.«
    »Wie auch immer.« Ein kurzes Räuspern. »Ist wahrscheinlich so oder so kein Spaß, alt zu werden.«
    »Sie ist noch nicht alt«, sagte Van Leeuwen.
    Die Stimme des Hoofdcommissaris verlor alle Jovialität. »Und du, Bruno ? Wie steht es bei dir mit Lodern und Rasen ? Gestern in dem Hotel am Bahnhof, da hast du ja wohl ein bisschen über die Stränge geschlagen, nicht ? Requirierst ein Zimmer, langst in die Kasse –«
    »Ich wollte gleich jemanden mit dem Geld hinschicken.«
    »Der Hotelmanager hat gedroht,

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