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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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Angst weg, und zwar sofort, nicht erst morgen, und sie fühlen sich gut. Sofort ist immer gut, wenn man jung ist, weil alles andere in so verdammt weiter Ferne liegt.«
    Gallo schwieg. Dann fragte er: »Was hältst du von Brigadier Tambur?«
    »Sie braucht etwas Zeit«, sagte Van Leeuwen.
    »Sie ist noch ziemlich jung. Ob sie schon mal Drogen genommen hat ?«
    »Bestimmt«, sagte Van Leeuwen. »Wahrscheinlich nimmt sie jetzt noch hin und wieder was, aber das wird bald aufhören.«
    »Woher weißt du das ?«
    »Sie will bei uns bleiben, und ich will keine Kollegen, die keinen klaren Kopf haben, wenn es drauf ankommt, so viel hat sie kapiert.« Van Leeuwen fuhr mit der Hand durch das Gras, um die Schärfe der jungen Halme zu spüren. »Sie weiß noch nicht genau, wo sie hingehört, aber sie weiß, wo sie hingehören will . Ich habe mir ihre Akte genau angeschaut. Ihr Vater ist Frührentner, Trinker. Sie besucht ihn. Sie besucht ihn, obwohl er den Unfall verursacht hat, bei dem ihre Mutter und ihre Schwester ums Leben gekommen sind. Sie hat sonst niemanden. Sie wohnt allein in einem dieser grässlichen Hochäuser am Stadtrand, in Bijlmermeer. Sie fährt schnell ihre Stacheln aus, aber wenn man sie richtig behandelt, zieht sie sie auch wieder ein, etwas langsamer vielleicht. Vor uns war sie auf zwei Revieren, und auf beiden ist sie gemobbt worden. Deswegen will ich, dass Vreeling sich ihr gegenüber etwas zurückhält.«
    »Läuft was zwischen den beiden ?«
    »Nein, aber ich sehe, wie er sie anschaut. Er versucht es bei jeder Frau, und wenn es vorbei ist ...«
    »Sie sieht nun mal gut aus«, sagte Gallo, »und er auch. Remko ist jung, da ist es doch normal, dass er mit den Frauen flirtet.« Der Hoofdinspecteur seufzte tief. »Letzte Weihnachten haben wir zusammen in der Kneipe seiner Eltern gefeiert, lauter Leute von den Antillen, mit karibischer Musik und einem Fischeintopf, der so scharf gewürzt war, dass ich noch zwei Wochen später das Jesuskind um einen anderen Geschmack beim Rülpsen angefleht habe. Ich war der einzige Weiße, aber selbst die weißen Mädchen dort hatten alle nur Augen für ihn. Er sieht nämlich nicht nur gut aus, er hat auch ein gutes Herz, und auf so was stehen die Frauen –«
    »Es ist mir egal, ob er gut aussieht«, unterbrach Van Leeuwen Gallos Weihnachtserinnerungen. »Sie sind beide gut, und ich will nicht, dass sie anfangen, sich komisch aufzuführen, das ist alles.« Er dachte, dass es Zeit war, aufzustehen und nach Hause zu gehen. Aber allein der Gedanke ließ das Aufstehen wie eine Qual erscheinen. »Wie kommst du mit der Giordano Bruno voran ?«, fragte er.
    »Die Renovierung frisst mich auf«, antwortete Gallo, »und ob ich mir den Liegeplatz lange leisten kann, steht auch in den Sternen. Steuern, Miete, Strom, Kanalisation, ich habe keine Ahnung, wie mein Vater es geschafft hat, ohne Kredite über die Runden zu kommen. So viel haben die Eisdielen schließlich nicht abgeworfen.«
    »Hat er dir die auch vererbt oder nur das Boot ?«
    »Die Räume waren gemietet, und die Eismaschinen und die Einrichtung kann ich höchstens noch einem Museum spenden. Sollte mich nicht wundern, wenn mein Großvater die schon damals aus Bologna mitgebracht hätte. Aber auf dem Boot bin ich praktisch aufgewachsen, und ich habe immer gehofft, dass ich eines Tages auch darauf leben kann. Hat schließlich nicht jeder Polizist ein Hausboot an der Brouwersgracht. Nur der Name ... Ich glaube, ich werde es anders nennen.«
    »Und wie ?«
    » Rikki-Tikk-Tavi . Wie der Mungo aus dem Dschungelbuch , der es mit den ganzen Schlangen aufnimmt.«
    »War ein feiner Kerl, dein Vater«, sagte Van Leeuwen. »Hatwas aus seinem Leben gemacht. Deine Mutter habe ich auch gern gemocht.«
    »Und Fußball spielen konnte er«, sagte Gallo. »Weißt du noch, wie die Leute im Viertel ihn genannt haben ? Den Maradona van de Pijp.«
    »Siehst du, wir haben wenigstens unsere Erinnerungen«, sagte Van Leeuwen. »Die Vergangenheit ist was für Leute wie uns, die ihre Gegenwart unerträglich finden und keine Zukunft mehr haben. Unsere Augen leuchten auf, wenn wir einen Satz mit ›Weißt du noch ...‹ anfangen.« Abrupt stemmte er sich hoch. »Falls wir uns überhaupt noch an irgendwas erinnern können.«
    Gallo entging die plötzliche Düsternis in Van Leeuwens Stimme nicht. Er streckte eine Hand aus, und Van Leeuwen ergriff sie und zog ihn hoch. »Wie geht’s zu Hause ?«, fragte der Hoofdinspecteur.
    »Von Tag zu Tag

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