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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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anrufen«, sagte Van Leeuwen.
    »Ja, oder eine von den Ratesendungen im Fernsehen«, gab die Stimme zu. »Aber die interessieren sich wohl kaum für die Ergebnisse der forensischen Untersuchung Ihres Toten aus dem Park.«
    Van Leeuwen spürte, wie sein Kopf in Sekundenschnelle klar wurde. »Sind Sie auf etwas gestoßen, das noch nicht in Ihrem Bericht steht, Doktor Holthuysen ?«, fragte er.
    »Wie man’s nimmt«, antwortete der leitende Pathologe. »Die Analyse der Chemikalien im Magen des Jungen hat vor allem Spuren von D L-1-Phenyl-2-Aminopropan erbracht, einem Sympathikomimetikum, das sich wegen seiner euphorisierenden Wirkung großer Beliebtheit bei all denen erfreut, für die das Betäubungsmittelgesetz nur ein Wort ist. Der gewissenhafte Mediziner dagegen benutzt es als Wiederbelebungsmittel bei Alkoholvergiftungen oder Morphinmissbrauch. Außerdem kommt es als Therapeutikum bei Narkolepsie zum Einsatz.«
    »Narkolepsie?«
    »Schlafkrankheit, Mijnheer van Leeuwen«, erklärte Doktor Holthuysen. »Etwas, wovon wir beide nicht befallen zu sein scheinen, wenn ich bedenke, wie spät es ist. War Ihr Toter vielleicht Narkoleptiker?«
    »Sollten Sie das nicht feststellen ?«
    »Dazu würde ich sein Gehirn benötigen, aber das fehlt ja nun mal leider. Was mich zu dem eigentlichen Grund meines Anrufs bringt: Ich konnte nämlich unter anderem deswegen nicht schlafen, weil ich mir Gedanken über die Art seines Todes gemacht habe, Überlegungen, die ich lieber nicht schriftlich zu Protokoll geben möchte. Andererseits kann ich mir aber vorstellen, dass Sie sie trotzdemgern hören würden, vor allem angesichts des Bambussplitters, den Sie am Tatort entdeckt haben –«
    »Einen Moment noch«, warf Van Leeuwen ein. »Diese chemische Substanz, die Sie in Kevins Magen gefunden haben, kann er die aus der Uniklinik haben ?«
    Holthuysen sagte: »Dank unserer fortschrittlichen Gesellschaft kann er die praktisch überall herhaben, aber Apotheken, Arztpraxen und Kliniken stehen sicher ganz oben auf der Liste. Was glauben Sie, wie viele Ärzte ihre permanenten Nachtschichten und 96-Stunden-Bereitschaften nur dank der Hilfe von Weckaminen überstehen ? Außerdem hätten wir da noch die Werbebranche, das Showbusiness, die Forschung –«
    »Ich interessiere mich nur für die Uniklinik«, sagte Van Leeuwen. »Und was hat es nun mit dem Splitter auf sich ?«
    »Es ist mehr ein Gefühl«, fuhr der Pathologe fort, »oder nennen Sie’s eine Ahnung, die in einem offiziellen Autopsiebericht nichts zu suchen hat. Alles, was in dem Bericht steht, könnte ein anderer Gerichtsmediziner, der dieselbe Untersuchung der Leiche vornähme, überprüfen und bestätigen. Aber was auf dem Papier steht, ist niemals die ganze Wahrheit. Ich habe mich gefragt, warum in der Nähe der Leiche keine Tatwaffe gefunden wurde.«
    »Das habe ich mich auch gefragt«, sagte Van Leeuwen. »Aber viele Mörder trennen sich nicht von ihrer Waffe, sondern behalten sie, weil sie sich daran gewöhnt haben oder weil sie einen bestimmten Symbolcharakter –«
    »Ja, wenn es sich um einen vertrauten Revolver oder ein lieb gewordenes Messer handelt«, fiel ihm der Pathologe ins Wort. »Aber der Junge ist ja weder erschossen worden wie, sagen wir, Abraham Lincoln, noch erstochen wie Julius Cäsar –«
    »– er wurde auch nicht verbrannt wie Jeanne d’Arc –«
    »– oder erschlagen wie Leo Trotzki. Es war der Sauerstoffmangel, der zu seinem Tod geführt hat«, fuhr Holthuysen unbeirrt fort. »Aber mit Tatwaffe meine ich in diesem Fall mehr das Instrument, das den Mord im technischen Sinn zu einer Ihrer, wie Sie es bezeichnen, Erfindungen macht. Etwas, das der Täter nicht zurücklassenoder wegwerfen konnte, weil es uns womöglich Hinweise auf seine Identität gegeben oder uns auf seine Spur geführt hätte –«
    »Der Spur zu der Tür, hinter der er steht und abwartet, ob jemand kommt und sie öffnet«, sagte Van Leeuwen.
    »Das bringt mich zu dem Splitter«, fuhr Holthuysen fort. »Bevor er aller Voraussicht nach in der Asservatenkammer verloren geht, habe ich ihn einer Isotopenanalyse unterzogen und kann jetzt mit einiger Sicherheit sagen, dass diese Art von Bambus wahrscheinlich nur auf einigen Inseln auf der anderen Seite der Erdkugel – zum Beispiel Borneo, Sumatra, Melanesien oder Neuguinea – wächst.«
    »Und die fetthaltige Substanz auf Haut und Kleidern des Opfers?«
    »Pflanzenöl und Kalk. Kokosnussöl, um präzise zu sein.«
    »Was bedeutet das ?«, wollte

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