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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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vom Treppenschacht, begleitet von einem Schwirren. Zuerst war er nicht sicher, ob er das Geräusch wirklichgehört hatte. Es klang jedenfalls wie ein Schwirren, so hätte er es in einem Bericht ausgedrückt; ihm fiel kein besseres Wort ein. Das Geräusch, das eine Taube macht, wenn sie landet. Oder ein anderer Vogel, größer, schwerer. Er ließ das Seil los. Er hielt den Atem an und lauschte. Er spürte, wie die kleinen Härchen an seinem Körper sich aufstellten, im Nacken, an den Armen.
    Die Bewegung war zu schnell gewesen für eine Taube, das Geräusch zu dunkel. Ein Laut für dunkle Schnelligkeit. Van Leeuwen merkte, dass er noch immer nicht wieder angefangen hatte zu atmen. Er holte Luft. Auf seinem Rücken begann es zu kribbeln, eine kleine Stelle zwischen den Schulterblättern, als säße dort ein Pflaster, das sich zu lösen begann. Er kannte das Gefühl. Es war das Gefühl, das er immer hatte, wenn er beobachtet wurde, und es war stärker als gestern Nacht im Vondelpark.
    »Ton ?!«, rief er, obwohl er den Hoofdinspecteur gar nicht rufen wollte.
    Er drehte sich um, wandte sich dem dunklen Raum zu. Zwischen den Brettern vor dem Fenster saßen Lichtritzen, die nur wenig Helligkeit spendeten. Gerümpel und Müll bildeten kleine formlose Hügel zwischen dem Schacht und der Tür, und dahinter war nichts als Schwärze. Du musst näher ran, dachte Van Leeuwen; wenn du nichts sehen kannst, bist du nicht nah genug. Sein Mund war trocken, und er hatte Angst, aber er tat den ersten Schritt und dann den zweiten.
    Hoofdinspecteur Gallo zog sich vom Treppenschacht zurück und sah sich in dem kahl gebrannten Geschoss um. Eine Maus huschte über die morschen, mit Taubendreck verschmutzten Dielen. Unter den leeren Fensterrahmen saßen wie versteinert wirkende Vogelnester. Auf dem Boden lagen leere Limonadenflaschen, Zigarettenpackungen und Pizzakartons. Einige Meter von der Treppe entfernt lehnte eine Leiter an einem Pfeiler. Sie war lang genug, sodass man darauf über den Schacht ins nächste Stockwerk klettern konnte.
    Gallo nahm die Leiter und lehnte sie mit dem oberen Ende gegen den gut vier Meter höher gelegenen Boden des zweiten Stocks. Ersah nicht nach unten. Er wusste, dass Höhenangst ganz plötzlich kommen konnte. Er hörte den Commissaris rufen, aber er antwortete nicht. Er überprüfte, ob der Fuß der Leiter fest verankert war, und drückte gegen die Sprossen. Sie gaben nicht nach.
    Langsam kletterte er los, die Augen fest nach oben gerichtet. Er dachte nicht an den leeren Schacht unter sich und auch nicht an den Commissaris. Der Staub in der Luft schien sich nicht zu bewegen. Der Dachstuhl über ihm war fast unversehrt. In dem schwachen Licht, das durch ein paar Ritzen und Löcher fiel, konnte der Hoofdinspecteur sehen, dass es hier oben sauberer war als in den unteren Stockwerken.
    Vorsichtig stieg er von der Leiter. Er roch kalten Zigarettenrauch und geschmolzenes Wachs, ein fast frischer Geruch. Außerdem roch er Taubenkot, Urin und getrockneten Schweiß in schmutziger Wäsche, etwas älter, wenn auch nicht so alt wie der Brandgeruch.
    »Ton ?«, hörte er Van Leeuwen von unten rufen. Die Stimme des Commissaris klang verändert in den leeren Räumen, verloren und geisterhaft.
    Einige Meter vom Treppenschacht entfernt türmten sich im Halbdunkel Schachteln, Kartons und Kisten, aus Holz oder Pappe, auf den Seiten beschriftet mit Sony, Apple, Konica oder irgendeinem anderen Markennamen.
    Gallo tastete nach der SIG Sauer in seinem Schulterhalfter und löste die Sicherheitsschlaufe, obwohl er nicht glaubte, dass er die Waffe brauchen würde. Leise rief er: »Deniz ?! Ich will nur mit dir reden, Deniz !« Dabei setzte er einen tastenden Fuß vor den anderen, näherte sich den Kartons mit der Hand am Pistolengriff.
    Er sah hinter den Wall aus originalverpacktem Diebesgut. Hinter den Kartons stand ein Ghettoblaster, an dem Vreeling seine helle Freude gehabt hätte. Daneben lagen ganze Stapel von CDs, Musikkassetten und zerlesenen Taschenbüchern. Raviolidosen türmten sich zu einem kleinen Berg, umgeben von vollen und halb leeren Wasserflaschen. Von einem mit Essensresten verkrusteten Zweiflammenkocher führte ein Schlauch zu einer kleinen Gasflasche. Wie hat er das bloß alles hier raufgekriegt ?, dachte Gallo.
    Er ging um die Kartons herum und entdeckte eine schäbige Matratze mit einem dreckigen Laken und zerwühlter Bettwäsche darauf. Am Fußende der Matratze stand ein offener Rucksack, der ein Dutzend

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