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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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sind mein Combat-A nzug und meine Uzi ! Damit liefern wir uns unsere battles !«
    »Was für battles ?«, wollte Gallo wissen.
    Deniz verdrehte die Augen. »Wir fahren raus in den Wald, ziehen die Anzüge über, setzen die Brillen auf und malen uns die Gesichter schwarz an, mit Ruß von ’nem abgebrannten Korken. In unseren Maschinenpistolen sind nur Plastikkugeln, keine richtige Munition. Die werden mit Pressluft rausgehauen, und damit wir sie nicht ins Auge kriegen, wenn wir uns gegenseitig out schießen, haben wir die Skimasken. Wir nehmen das dann auf, mit ’ner Digitalkamera, und hinterher gucken wir’s uns an.«
    Er sagt die Wahrheit, dachte Van Leeuwen; er ist wahrscheinlich alles Mögliche, aber ein Mörder ist er ganz bestimmt nicht. Abrupt fragte er: »Hatte Kevin farbige Freunde oder Bekannte ? Jungs in seinem Alter ? Oder Feinde – hatte er Feinde, die schwarz sind ?«
    »Feinde ? Also, nein, glaub ich nicht.«
    »Hast du das auch am Koninginnedag getragen ?«, fragte der Hoofdinspecteur und hob den Trainingsanzug hoch.
    »Deniz hat Kevin geliebt«, rief Robbie. »Er war wie ein Bruder für ihn. Er hätte ihm nie was getan. Jeder von uns hat ihn geliebt, aber keiner so wie Deniz. Und Tic natürlich, aber das war eine andere Liebe.«
    »Wie anders ?«, fragte Gallo.
    »Ganz anders«, sagte Robbie. »Anders als alles.« Sie senkte die Augen. »Ich möchte einmal so was erleben wie das von Kevin und Tic.«
    »Was redest du’n da ?«, fragte Deniz.
    »So was erlebt nicht jeder«, sagte Robbie leiser zu sich, »und wenn, dann nur ein Mal im Leben.«
    »Die meisten hätten Angst davor«, sagte Van Leeuwen.
    »Was verstehen Sie denn davon ?«, fuhr Deniz ihn an. »Ihr Bullen quatscht von Liebe und Angst, als wüsstet ihr, von was ihr redet.« Er zog die Nase hoch. Der Glanz in seinen Augen rührte jetzt nicht mehr von Zorn her. »Aber ihr habt keine Ahnung, von nichts, vom ganzen Leben nicht. Euch tut nichts weh, ja ? Euch ist alles egal, ihr braucht kein Verfallsdatum. Aber es sind nicht alle so wie ihr, ja ?!«
    »Was für ein Verfallsdatum ?«, fragte Van Leeuwen.
    Deniz trank noch einen Schluck; die Hälfte verschüttete er. »Ich finde, man sollte wissen, wie lange man was davon hat. Von ’nem Vater oder von ’ner Mutter oder von ’ner Braut, mit der man zusammen ist. Irgendwo sollte es draufstehen, damit man rechtzeitig aufhören kann, an ihnen zu hängen und – und damit sich keiner Hoffnungen macht, dass es länger dauern könnte, als draufsteht. Auf der Stirn am besten oder von mir aus hinterm Ohr.«
    »Finde ich auch«, sagte Van Leeuwen.
    »Ich sag dir, warum man sich nie an die Scheiße gewöhnt«, sagte Deniz. »Weil’s immer noch dicker kommt. Egal, was einem passiert, und wenn man zehnmal denkt, so schlimm war’s noch nie , es wird trotzdem zehnmal schlimmer beim nächsten Mal. Sogar wenn man niemanden mehr hat, der weggehen und einen alleinlassen kann, weil, auch für einen allein kann’s immer noch schlimmer werden. Und irgendwann – irgendwann hat man bloß noch Schiss, erst vor der Nacht, vor jeder Nacht, und dann schon vor dem Abend und am Schluss sogar vor dem Tag, vor jedem neuen Tag. Erst vor der Dunkelheit und dann vor dem Licht. Du hast Schiss vor allem, aber am meisten vor dem großen weißen Ball.«
    »Welchem weißen Ball ?«
    »Dem großen weißen Ball, Mann«, sagte Deniz, »der auf dich zurollt, der immer größer wird, immer schwerer und voller, und der von immer höher auf dich zurollt, um dich platt zu walzen. Immer heller wird er und immer größer. Das ist die Angst, ein großerweißer Ball, eine Lawine, die jeden Morgen auf dich wartet, und die braucht kein Verfallsdatum, weil sie ewig hält.«
    Er schien den Atem anzuhalten. Seine Brust hob und senkte sich kaum, aber Van Leeuwen konnte sehen, wie sein Herz hämmerte. Robbie beugte sich zu Deniz und legte ihre Stirn an seine Schulter. Sie griff nach seinen Händen. »Ich dachte, du hättest keine Angst«, sagte sie leise. »Wir wollten doch keine Angst haben.«
    Van Leeuwen sah, dass ihre Hand mit denen des Jungen zitterte. »Jeder hat Angst«, sagte der Commissaris, »jeder.« Dann sagte er: »Ihr könnt jetzt gehen.«

 12 
    Die ganze Nacht, während er neben seiner schlafenden Frau wach im Bett lag, dachte Van Leeuwen an den Jungen und das Mädchen und ihre Angst.
    Sie kamen dem Commissaris vor wie erschöpfte kleine Vögel, die zu lange geflogen waren, weil sie nirgendwo einen Ast gefunden hatten, auf dem

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