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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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wissen, was ich da gesehen habe ? Nein ? Ich auch nicht. Aber gelernt habe ich trotzdem was, und deswegen bin ich dann Bulle geworden, und jetzt schaut mich an, diesen kleinen, aber durchaus gelungenen Kripomann in Amsterdam, und nehmt euch, verdammt noch mal, ein Beispiel an mir. Rede ich zu schnell für euch ?«
    Robbie schüttelte überrascht den Kopf. Gallo stand auf, ging um
den Tisch herum und blieb hinter ihr stehen, hinter ihr und Deniz.
»Manchmal schieße ich ein bisschen über das Ziel hinaus«, fuhr
er fort, »aber meistens lande ich genau da, wo ich hinwill, ganz
im Gegensatz zu euch, denn dass ihr nicht hier sein wollt, steht in
Leuchtschrift quer über eure Gesichter geschrieben. Bloß dass ihrerst dann wieder rauskommt, wenn ihr mir alles gesagt habt, was ich wissen muss, um den Mörder von Kevin zu finden. Ihr wart mit ihm verabredet – mit Kevin, meine ich –, um zehn im Club, aber er ist nicht gekommen, bis um Mitternacht, oder ?«
    Jetzt verlor Deniz den Punkt, den er bisher angestarrt hatte, aus den Augen. Stattdessen sah er zur Decke.
    »Kevin hatte Angst«, sagte Gallo, »vor etwas, das er im Krankenhaus seiner Mutter gesehen hatte. Dort, wo er die Drogen für dich organisiert hat, wenn es dir wieder mal dreckig ging, Deniz. Wollte er dir an dem Abend was bringen ?«
    »Hab ich vergessen«, sagte Deniz zur Decke.
    »Er spricht«, sagte Gallo.
    »Was hast du vergessen ?«, fragte Van Leeuwen.
    »Alles«, sagte Deniz. Robbie hörte auf, am Nagelbett ihres Daumens zu kauen und betrachtete das gerötete Fleisch, das noch feucht war von ihrer Spucke.
    »Wie heißt du ?«, fragte Van Leeuwen.
    »Das hab ich euch doch schon gesagt.«
    »Ich will es aber noch mal hören. Um sicherzugehen, dass du es inzwischen nicht vergessen hast.«
    »Deniz Aylan.«
    »Wie alt bist du, Deniz ?«
    »Sechzehn.«
    »Vierzehn. Und drogensüchtig.«
    »Ich bin nicht süchtig.«
    Gallo blieb unnachgiebig. »Hat Kevin außer dir noch andere mit Drogen versorgt ?«
    »Hab ich vergessen.«
    »Haben dich noch andere beliefert, außer Kevin ?«, fragte Van Leeuwen.
    »Ich sag doch, ich bin nicht süchtig !«
    »Tic hat ausgesagt, dass Kevin Angst hatte«, sagte Van Leeuwen. »Was Angst ist, weißt du, oder, Deniz ?«
    »Nein, was ist das ?«, fragte Deniz. Robbie kicherte, und Deniz konnte ein selbstgefälliges Grinsen nicht unterdrücken.
    »Hat Kevin dir manchmal von dem Krankenhaus erzählt ?«, fragte Gallo. »Dinge, die er beobachtet hat ? Ungewöhnliche Vorfälle ? Menschen, die sich merkwürdig verhalten haben ?«
    »Kann mich nicht erinnern«, sagte Deniz, und Robbie kicherte wieder.
    »Hat er dir etwas erzählt ?«, fragte Van Leeuwen das Mädchen. »Mir ? Weiß ich nicht.« Robbie sah ihn frech an, und jetzt kicherte auch der Junge. Sie hatten ein lustiges Spiel entdeckt.
    »Wann hat er euch das letzte Mal beliefert ?«, wollte Van Leeuwen wissen. »War er da anders als sonst ? War jemand bei ihm ?« Er spürte, wie etwas in seiner Brust zu züngeln begann, und er versuchte es klein zu halten. »Weißt du, wo in der Klinik er den Stoff organisiert hat ? In welcher Abteilung ? Hatte er eine Kontaktperson, jemanden, der ihm die Schränke aufgemacht hat ? Der ihm erklärt hat, was er brauchen konnte und was nicht ?«
    »Hab ich vergessen«, sagte Deniz. Wie aufs Stichwort kicherte Robbie los, und er kicherte auch, und es hätte nicht viel gefehlt, und sie hätten in die Hände geklatscht.
    Aus dem Züngeln in Van Leeuwens Brust wurde eine Flamme; er konnte nichts dagegen tun. »Was heißt das ?!«, brüllte er. »Was, verdammt noch mal, soll das heißen ?! Hast du es vergessen, oder hast du es nie gewusst ?! Erinnerst du dich nicht, oder willst du dich nicht erinnern ? Bist du zugedröhnt ? Hast du dir den Verstand kaputt gefixt ?! Weißt du überhaupt, was es bedeutet, wenn man alles vergisst ?! Weißt du, dass es Menschen gibt, die ihre rechte Hand – beide Hände ! – dafür geben würden, wenn sie sich erinnern könnten !? Die Erinnerung ist ein Geschenk, sie hilft uns, zu leben, und falls ihr irgendwann mal so was Ähnliches wie ein Leben haben solltet, werdet ihr das kapieren. Über die Erinnerung macht man sich nicht lustig und über die Wahrheit auch nicht. Wenn man sie kennt und wenn man sie sagen kann, hat man eine verdammte Verantwortung, der man gerecht werden muss, weil man sich sonst schuldig macht ! Und ihr seid schon so schuldig geworden, dass ihr dringend jemanden braucht, der euch eine Chance zur

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