Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld
gewaschen hatte, bereitete er ihr das Frühstück. Er brühte Kaffee auf, kochte zwei Eier, toastete Brot und bestrich es mit Butter, gemäß dem Befehl, den er als Offizier der Königin sich selbst erteilte. Er stellte fest, dass er in der Nacht Rotwein auf das Tischtuch in der Küche verschüttet hatte, und warf das Tuch in den Wäschekorb neben der Badewanne. Als er sah, wie voll der Korb schon war, fing er an, die Wäsche zu sortieren, bunt und weiß, und die Waschmaschine zu füllen. Waschen und Bügeln war fast so gut wie Putzen, wenn man den Boden unter den Füßen verloren hatte.
Plötzlich fiel ihm wieder ein, wie Simone schon früher zu kleinenBetrügereien geneigt hatte, liebenswerten Mogeleien beim Spielen, genau genommen bei jedem Spiel. Dabei machte es ihr gar nichts aus, zu verlieren; es spielte keine Rolle für sie. Sie mogelte einfach aus Lust daran, jemanden hinters Licht zu führen. Sogar wenn sie ein Puzzle zusammensetzte, hatte sie manchmal ein Stück einfach an eine Stelle gequetscht, wo es zwar von Farbe, Form und Ausschnitt hingehören konnte, aber doch nicht ganz passte.
»Wenn ich das bei einem meiner Fälle machen würde«, hatte er tadelnd gesagt, »so mein Puzzle lösen ...« Aber sie hatte nur gelächelt, leicht den Kopf geschüttelt und mit einem bezaubernden Ruck das Haar nach hinten geworfen: »Das könntest du nie.«
In Gedanken ging er den Inhalt des Koffers immer wieder durch, die Ohrringe, das kleine Gemälde, den Stadtplan von Lissabon; versuchte die Bedeutung seines Fundes zu begreifen.
Und wenn sie nun gar nicht krank ist ?, schoss es ihm durch den Kopf. Wenn sie nur so tut ? Wenn sie in Wirklichkeit gesund ist, kerngesund ? Wenn sie mir nur vorspielt, alles vergessen zu haben – mir und vielleicht sogar sich selbst ? Damit sie sich nicht zu erinnern braucht, damit sie nie mit mir darüber reden muss, damit ich sie nie mit dem offenen Koffer konfrontieren kann ?
Er ging ins Wohnzimmer, wo Simone vor dem Fernseher saß und einen Film über junge Eisbären sah. »Komm mit«, sagte er und gab sich keine Mühe, den Zorn in seiner Stimme zu unterdrücken. Er zog sie hoch und hinter sich her zur Kammer des Schreckens. Er riss die Tür auf, knipste das Licht an, zerrte den Koffer in den Flur. Er öffnete ihn und kippte ihr den Inhalt vor die Füße. »Was ist das ?«, fragte er. »Kannst du mir sagen, was das alles ist ?«
Sie bückte sich und hob den einen Ohrring auf. »Wollen wir verreisen ?«, fragte sie. Sie hielt den Ohrring in der Hand und betrachtete ihn wie eine Erinnerung, für die sie keine Worte fand. »Also, ich weiß nicht ...«, murmelte sie.
»Ich weiß auch nicht«, sagte er laut und bitter, »aber für mich ist das keine Ausrede ! Für mich ist das entsetzlich, verstehst du, schrecklich und entsetzlich !«
Er lief zur Kommode im Flur und zerrte die unterste Schubladeheraus, in der die Kartons mit den Spielen lagen. Er fand ein Puzzle, das er im Souvenirshop des Prado gekauft hatte: ein Gemälde von Goya, Die Inquisition . Er schüttete die vielfältig geformten Pappteilchen auf den Tisch im Wohnzimmer. »Hier ! Mal sehen, wie du dich jetzt durchmogelst.«
Er schob ihr einen Stuhl hin. Eifrig beugte sie sich über die Teilchen und betrachtete sie lange, ohne eines davon zu berühren. Endlich legte sie ein Stück aus dem Bein eines Inquisitors an ein anderes, das zu dem spitzen Hut des Angeklagten gehörte. Sie versuchte, ein Gesicht aus der düster verschwimmenden Masse des tobenden Mobs – nein, nur den Mund dieses verzerrten Gesichts – mit einem winzigen Ausschnitt des flammenbeschienenen Gewölbes zu verbinden, in dem das Tribunal stattfand. Die Teile passten nicht zueinander.
Van Leeuwen sah seine Frau vor dem Puzzle sitzen und dachte, warum hast du mich nicht einfach umgebracht ? Warum hast du so viel von mir übrig gelassen, dass ich nicht aufhören kann, mich elend und unwürdig und wertlos zu fühlen ? Wieder flammte seine Wut höher. »Ich habe gesagt, du sollst das Puzzle zusammensetzen !«, brüllte er. »Hör auf, mir was vorzumachen ! Du bist nicht krank, du lügst und betrügst und willst mich für dumm verkaufen ! Glaubst du, ich lasse mir das noch lange gefallen ? Diesen Wahnsinn ?!«
Sie hörte auf und betrachtete das Durcheinander der Puzzleteilchen, und als sie zu weinen begann, merkte er es erst nicht, weil sie die Tränen vor ihm zu verbergen versuchte. Er merkte erst später, dass sie sich auf einmal schämte – dass sie sich an
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