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Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld

Titel: Und vergib uns unsere Schuld - Und vergib uns unsere Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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schönes Wort«, sagte sie.
    »Es ist auch kein sehr schöner Vorgang«, sagte er. »Wer ist dieser Sandro ? Wo hast du ihn kennen gelernt ? Was hat er für einen Beruf?«
    Aber so war es natürlich nicht gewesen. Sie war zurückgekommen, hatte ein Bad genommen und sich dann zu ihm ins Wohnzimmer gesetzt, aber er hatte nichts gemerkt, keine Fragen gestellt. Er war nur glücklich gewesen, sie zurückzuhaben.
    Daran konnte er sich genau erinnern.
    Er hatte keinen Verdacht geschöpft.
    Immer war er sich ihrer Liebe sicher gewesen, vom ersten Kuss an. Er hatte gewusst, dass diese Liebe weder unsicher noch bedroht war und dass er im Leben nun niemals mehr ohne sie sein würde. Es gab keinen Zweifel, keine Furcht. Er fand keinen Fehler an ihr, nichts, was er gern anders hätte. Sie nutzte sich nicht ab, nicht unter seinen Küssen, nicht unter seinen Umarmungen.
    Hatte er sich so sehr geirrt ? War das Glück verloren gegangen, während er noch glaubte, es könnte ewig halten ? War Simone neben ihm nicht nur älter und schöner geworden, sondern auch ruheloser und trauriger ? War, was er für Ausgeglichenheit und Erfüllung gehalten hatte, in Wirklichkeit nur die schmerzliche Gelöstheit einer Frau gewesen, die sich mehr und mehr von ihm entfernte ?
    Er fragte sich, ob sie deswegen krank geworden war. Ob sie Trost im Vergessen gesucht hatte. Fast konnte er es verstehen. Verstehen, aber nicht verzeihen.
    Als es endlich Morgen wurde, saß er noch immer in der Küche. Er wusste nicht, wie er seiner Frau begegnen sollte, wenn sie aufwachte. Wenn sie ihn sah und beruhigt lächelte, weil er da war. Sein Herz war schwer wie Blei von all den unbeantworteten Fragen. Er dachte an das Plakat in seinem Arbeitszimmer, den Titel von Goyas Capricho: Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer . Manchmal, dachte er, warten die Ungeheuer nicht, bis die Vernunft eingeschlafen ist; manchmal kommen sie einfach. Er ging ins Badezimmer und duschte, und mit dem Mut eines müden Mannes nach einer Nacht ohne Schlaf ging er danach ans Telefon und rief die Nummer an, die man ihm im Sekretariat der Universitätsklinik gegeben hatte.
    Vielleicht war Professor Josef Pieters trotz der frühen Stunde schon in seinem Büro. Und vielleicht war er bei seinen Forschungen weiter, als Professor Terlinden dachte. Vielleicht hatte er doch einen Weg gefunden, wie man Alzheimer-Patienten wenigstens vorübergehend ihre Erinnerungen zurückgab, sodass sie darüber reden konnten.
    Dass sie auf Fragen antworten konnten.
    Van Leeuwen ließ es lange läuten, aber am anderen Ende wurde nicht abgehoben. Eine halbe Stunde später versuchte er es noch mal, aber wieder ging niemand an den Apparat. Erst bei seinem dritten Anruf kam eine Verbindung zustande, und eine Frau sagte: »Sekretariat Professor Pieters.«
    »Ich möchte gerne mit Professor Pieters sprechen«, sagte Van Leeuwen.
    »In welcher Angelegenheit ?«
    »In einer Privatangelegenheit.«
    »Ich bedaure, Professor Pieters ist den ganzen Tag in einer Konferenz –«
    »Vielleicht habe ich mich falsch ausgedrückt«, sagte Van Leeuwen. »Hier spricht Commissaris Bruno van Leeuwen von der Amsterdamer Polizei, und ich möchte ihn sofort sprechen, egal, was er gerade tut.«
    Am anderen Ende herrschte einen Moment lang Schweigen, dann sagte die Frau: »Ich will sehen, ob er da ist.«
    »Doktor Josef Pieters«, meldete sich wenig später ein Mann mit einer tiefen, ruhigen Stimme. »Womit kann ich Ihnen helfen ?«
    »Entschuldigen Sie die Störung«, sagte der Commissaris. »Mein Name ist Bruno van Leeuwen. Meine Frau ist in Behandlung bei einem Ihrer Kollegen, Professor Terlinden, und von ihm habe ich erfahren, dass Ihnen ein Durchbruch bei der Erforschung von Creutzfeldt-Jakob und Alzheimer gelungen sein soll –«
    »Ob es ein Durchbruch ist, muss sich erst noch zeigen«, unterbrach Pieters ihn. »In der Wissenschaft wird man gelegentlich zu schnell gefeiert und dafür später umso heftiger verspottet.«
    »Könnten Sie mir vielleicht trotzdem erklären, worin IhrFortschritt besteht, in einfachen Worten, sodass auch ich es verstehe?«
    »Den eigentlichen Durchbruch stellt der Umstand dar, dass ich die Pharmaindustrie aufgeweckt habe«, antwortete Pieters in einem Ton, der zu seinem Lächeln auf dem Titelbild von Science Monitor passte. »Die waren nämlich bisher der Meinung, es lohnt sich nicht, Millionen und Abermillionen in die Erforschung von Creutzfeldt-Jakob zu stecken, um ein Heilmittel zu gewinnen – zu wenig

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