...und was machen wir am Nachmittag? Satirisches über ein kleines Land
Bank oder von meinem Auftraggeber etwas gehört hätte.
Ich griff zum Telefon und fragte ihn, ob er zufrieden gewesen sei.
»Womit?« fragte er zurück.
Nicht ohne Stolz outete ich mich als Verfasser der kunstvollen Rede, die Jung-Jonas zur Feier seiner Bar-Mizwa gehalten hatte.
»Ach so, richtig. Ich erinnere mich. Leider habe ich noch keine Zeit gehabt, ihr Manuskript zu lesen. Rufen Sie mich doch wieder an.«
»Morgen früh? Um acht?«
»Es eilt nicht. Vielleicht gegen Mittag. Oder nächste Woche.«
Pioniergeist
Es ist nicht ganz leicht, im Alter reich zu werden und dabei noch jung und arm zu bleiben.
Neunzig Jahre und ein bißchen weise
Die »Ottomanisch-Jüdische Wohlfahrts-EinrichtungsHilfe«, abgekürzt OJWEH, wurde um die Jahrhundertwende in Jerusalem gegründet und hatte den Zweck, die jüdische Gemeinde den türkischen Behörden gegenüber zu vertreten. Sie nahm ihre segensreiche Tätigkeit auf und versuchte etwa das Verbot öffentlicher Diskussionsabende und privater Beschneidungsfeiern aufzuheben, was ihr durch erfolgreiche Bestechung dreier Paschas hintereinander tatsächlich gelang.
Nach einiger Zeit machte sich jedoch auch bei diesem Verein etwas bemerkbar, was für jüdische Vereine typisch ist, nämlich Geldmangel. Was tut man in solchen Fällen? Man geht schnorren. So auch im Falle der OJWEH. Überall auf der Welt, wo es Juden gab, tauchten jene blauweißen Sammelbüchsen auf, die uns allen so lieb und vertraut sind und auf denen man einen kleinen Knaben sah, der in der Hand eine Sammelbüchse hielt, auf der man einen kleinen Knaben sah, der in der Hand eine Sammelbüchse hielt und so weiter, bis genügend Geld vorhanden war, um von den Türken Diskussions- und Beschneidungsfreiheit zu erkaufen.
Zugleich entstand ein kleines Liedchen, das bei entsprechenden Anlässen gerne gesungen wurde:
»Wir Juden haben, wie bekannt, von alters her ein Heimatland.
Für dieses muß man wirken, sonst knechten uns die Türken.
Drum hört, ihr Juden in der Welt:
Wir brauchen Geld, wir brauchen Geld.«
Die Juden in der Welt begegneten dem OJWEH-Appell mit offenen Ohren und ebensolchen Taschen. Die Spenden gingen so zahlreich ein, daß die OJWEH ihre Tätigkeit ausweiten konnte. Ein Verwaltungsgebäude mit einer großen Menge von Amtsräumen, Schreibtischen und sonstigem Zubehör wurde errichtet, und wer dem Verwaltungsrat angehörte, hatte auf Lebenszeit ausgesorgt. Die freiwilligen Spenden wurden in Jahresbeiträge umgewandelt, die auf Wunsch auch monatlich gezahlt werden konnten und in der einen oder anderen Form wirklich gezahlt wurden. Für die Juden in der Welt, zumindest für jene, die in gesicherten Verhältnissen lebten und infolgedessen ein schlechtes Gewissen hatten, galten die OJWEH-Zahlungen als Ehrensache.
Der Erste Weltkrieg bereitete diesem paradiesischen Zustand ein Ende: Die Türken verloren Palästina an die Engländer. Und was immer man über die englischen Herren denken mag, gegen Diskussionen und Beschneidungen hatten sie nichts einzuwenden. Das war ein schwerer Schlag für die OJWEH. Alle Bemühungen, die alten Verbote wieder durchzusetzen, scheiterten am britischen Understatement.
Der berühmte Kongreß von Singapur beschloß dann einstimmig die Fortführung der OJWEH. So wurden mehrere tausend Mitarbeiter neu eingestellt und in jeder wichtigen Stadt ein eigenes Verwaltungsgebäude errichtet. Kampagnen wie »Kanarienvögel für unsere Kindergärten!« setzten neue, populäre Akzente. In bezug auf das Verbot öffentlicher Diskussionen und privater Beschneidungsfeiern ließ sich allerdings keine Besserung erzielen. Sie blieben gestattet. Auch die Türken kamen nicht zurück.
Und das Schicksal schlug abermals zu: Der Staat Israel wurde gegründet und nahm dem altehrwürdigen Verein aus ottomanisch-jüdischen Tagen seine Existenzberechtigung. Diskussionen und Beschneidungen waren eine Selbstverständlichkeit, an die Kanarienvögel in den Kindergärten hatte man sich längst gewöhnt, und was an Verboten existierte oder entstand, war israelisches Eigenprodukt. Wie, so fragte man sich im ganzen Land, würde die OJWEH darauf reagieren? Die Antwort gab der XXIII.
Kongreß, auf dem alle 13210 Delegierten folgende »Bestands-Proklamation« verabschiedeten:
»Die OJWEH muß weiterbestehen, und zwar aus folgenden Gründen:
Sie sichert den Lebensunterhalt von 67000 Beamten.
Jeder Beamte hat eine Familie.
Jede Familie hat Kinder.
Man kann eine Organisation, die so lange Zeit besteht,
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