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...und was machen wir am Nachmittag? Satirisches über ein kleines Land

...und was machen wir am Nachmittag? Satirisches über ein kleines Land

Titel: ...und was machen wir am Nachmittag? Satirisches über ein kleines Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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habe wirklich keine Lust, jeden Tag irgend etwas zur S-Bahn zu schleppen. Moment, hallo, 729556, bitte sehr.«
    Wir versuchen, Ordnung in den Hörer zu bringen. Wir hatten doch, Hand aufs Herz, niemals die Absicht, Fräulein Shulamit zu zwingen, irgendein Paket eigenhändig zu irgendeiner S-Bahn zu schleppen. Wozu hat man denn schließlich Naftali? Soll doch Naftali so um vier, halb fünf das Ding abholen, und damit ist die Sache erledigt.
    Wir bemühen uns, unserer Erregung über die fatale Zumutung Herr zu werden.
    »Hallo«, sagen wir, »ich hatte Zerkowitz verlangt.«
    »Wen?«
    »Zer ... Zerko ... witz .«
    »Wer ist am Apparat?«
    Jetzt will sie es wissen. Beim letzten Gespräch konnten wir ihr noch entkommen, aber diesmal klang etwas in unserer Stimme mit, das ihr natürliches Mißtrauen geweckt hat. Die letzte Schranke ist gefallen, es kann losgehen. Wir überlegen haarscharf, was wir ihr sagen sollen: Hallo, hier ist das E-Werk oder vielleicht Dr. Schai-Scheinberger, ein Schulfreund von Zerkowitz, weiß der Teufel, was überzeugender ist. Schließlich sagen wir:
    »Oliver.«
    Oliver ist immer gut. Oliver klingt sehr überzeugend. Die hebräische Telefonistin beruhigt sich, und wieder ist vielversprechendes elektronisches Klicken zu vernehmen. Und innerhalb Sekundenfrist haben wir tatsächlich die diensthabende Stelle am Ohr. Diesmal verschwenden wir keine Zeit mehr mit der Analyse der Stille, sondern schlagen das Buch »Hannibal, einer gegen Rom« auf und überqueren gemeinsam mit dem sagenhaften Helden die schneebedeckten Alpen. Mein Gott, welch ein wunderbares Abenteuer war das doch, eine ganze Kolonne halb-erforener Elefanten über die Bergkette zu führen, über Flüsse und Seen, bei Sturm und Donner ...
    Vor den Toren Roms halten wir kurz inne, vielleicht sind wir unterdessen ja im Zimmer von Zerkowitz gelandet.
    »Hallo«, schreien wir in den Hörer, »hallo!«
    In ganz weiter Ferne, vielleicht jenseits des Meeres, im Herzen von New York City, murmelt jemand etwas in fließendem Jiddisch. Jemand, dem Shulamit eine Chance gegeben hat. Für uns stehen die Chancen nicht gut. Wir sind schlimmer als Naftali. Zu viel Verbitterung hat sich in den letzten Minuten aufgestaut. Wenn wir, Shulamit und ich, uns außerhalb der Geschäftsstunden kennengelernt hätten, dann hätten wir vielleicht eine gemeinsame Sprache gefunden. Vielleicht hätten wir ihr trotz ihrer Magerkeit den Hof gemacht, auch eine Heirat ist nicht ausgeschlossen, Kinder, Alimente. Aber so, verschanzt hinter den vorderen Linien, haben wir weder Gegenwart noch Zukunft, sie ist die Telefonistin, und wir sind einer der Anrufer, Katz und Hund. Nicht etwa, daß wir böse auf sie wären, oh nein, wir verehren sie, wir bewundern ihre ganze Machtfülle, nur haben wir leider keine zwischenmenschliche Verbindung mit ihr. Das einzige, was wir zur Wiederaufnahme eines Kontaktes unternehmen können, ist ein Druck auf die Gabel, erneutes Fluchen und erneute Wiederwahl ihrer Nummer in der alles entscheidenden vierten Runde.
    »Hören Sie, meine Dame«, sagen war, »warum lassen Sie mich eine halbe Stunde ohne jede Antwort?« »Wer ist da?«
    »Oliver. Vor einer dreiviertel Stunde habe ich Zerkowitz verlangt.«
    »Der ist nicht da.«
    »Ja warum sagen Sie das nicht gleich?«
    »Ich sage es jetzt.«
    »Wann kommt er zurück?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Ist er überhaupt bei Ihnen beschäftigt?«
    »Keine Ahnung.«
    »Kann ich ihm eine Nachricht hinterlassen?«
    An dieser Stelle wirft sie uns mit einer federleichten Handbewegung aus der Leitung. Alles ist vorbei. In diesem letzten kritischen Augenblick jedoch war der gegenseitige Haß so verzehrend, daß wir beide genau fühlten, wenn das Gespräch auch nur eine Minute länger gedauert hätte, hätte ich mich meines Sakkos entledigt, wäre in den Apparat gesprungen und durch die Drähte direkt in ihre Telefonzentrale gekrochen, um mich mit tierischem Gebrüll auf sie zu stürzen, in einem Kampf auf Leben und Tod. Shulamits scharfe Nägel bohrten sich in meinen Hals, während meine Zähne ihre Hauptschlagader suchten, und so würden wir, Urlaute ausstoßend, uns bis zum blutigen Ende auf dem Boden der Telefonzentrale wälzen. Ja, eines Tages wird es dazu kommen. Es ist nur eine Frage der Zeit. Diplomatische Lösungen sind völlig ausgeschlossen.

Treffpunkt im Jenseits
    Die Diagnose der Krankheit, von der ich spreche, lautet: pathologische Neigungen des Durchschnittsisraelis zur Erzeugung wuchernder Abmachungen

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