Und was, wenn ich mitkomme?
bloß Entwicklungen. Wir sind aufgebrochen und wir sind angekommen. Im Weg dazwischen liegt die Wahrheit und im neuen Verhalten der Beweis. Trotzdem kann ich dieses sagen:
Wir haben den Camino erlebt als einen Weg voller Gegensätze und Kontraste — ergreifende Schönheit direkt neben den Hässlichkeiten unserer Zivilisation, tiefe Nähe zu wildfremden Menschen, Müdigkeit und übersprudelnde Energie, der Luxus einer warmen Dusche und die Entbehrung eines sauberen und vor allem trockenen T-Shirts, sengende Hitze und Abendkühle... Wir waren ausgelassen und haben so viel gelacht wie selten in unserem Leben, aber wir haben auch mindestens ebenso viel gelitten. Begeisterung und Verzweiflung, lagen oft nur wenige Schritte voneinander entfernt, neue Erkenntnisse neben dem Festhalten an Altvertrautem. Die ganze Intensität unseres Lebens, unsere Beziehungsmuster, unsere Sehnsüchte und unsere Ängste, sogar unsere Gotteserkenntnisse und Glaubenszweifel, haben sich komprimiert auf die Länge von zwei Monaten, sind zusammengeschnurrt wie ein zu straffgespanntes Gummiband, dem endlich die Spannung genommen worden ist. Wer unsere Veränderungen verstehen will, wird uns folgen und sich zumindest in Gedanken mit uns auf den Weg machen müssen, einen Weg, den ich jederzeit wiederholen würde. Ja, wenn mir jemand sagt, dass schon morgen mein Flug startet, ruckzuck hätte ich meinen Rucksack gepackt und wäre wieder unterwegs auf dem spanischen Küstenweg.
EPILOG
Wenn Sie mich fragen: Bleiben Sie neugierig, realisieren Sie Ihre guten Ideen und füllen Sie Ihre Tage mit Leben und nicht Ihr Leben mit Tagen.
RICHARD DAVID PRECHT
aus: Wer bin ich und wenn ja, wie viele?
In der Küche riecht es nach Spülmittel und Wein. Mit ihren Gläsern in der Hand sind sie auf die Terrasse hinausgetreten. Jetzt stehen sie am Gartenteich, in dem sich der Sternenhimmel spiegelt. Es ist spät geworden. So spät waren sie nur selten zusammen draußen. Aber es gab so viel zu bereden, und die Luft ist noch immer mild. Sie tragen nicht einmal Jacken. Mit der einen Hand führt er sein Weinglas zum Mund, mit der anderen berührt er ihren bloßen Arm. Ihr Herz wird ganz weit dabei. Solche Augenblicke hat es in den letzten Monaten oft gegeben.
In der letzten Woche ist in Immowelt ihr Inserat erschienen: Attraktives Einfamilienhaus mit Garten zu verkaufen. Heute hat es der erste Interessent besichtigt. Sie fangen an, Abschied zu nehmen. Etwas Neues liegt vor ihnen. Gemeinsam machen sie sich wieder auf den Weg.
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