Und was, wenn ich mitkomme?
sieht aus, als hätte jemand bunte Teppiche zum Lüften aufgehängt. Wir sitzen auf den Stufen einer Treppe, die zum Strand hinunterführt, beobachten das Spiel der Wellen, wie sie leise gegen Sand und Steine klatschen, und hängen unseren Gedanken nach, reden, lachen und sind so unbeschwert wie ganz am Anfang. Das tut gut. Doch dann türmen sich plötzlich am Himmel Wolken auf, dramatisch dunkel vor strahlendem Himmel, die perfekte Kulisse für ein Foto. Aber wir sind uns einig: Diese Stimmung wäre sowieso nicht einzufangen. Außerdem beginnt es jetzt wieder zu tröpfeln, und so machen wir uns auf den Weg zurück zur Herberge. Dort sind inzwischen noch eine Deutsche, die sich als Monika vorstellt, und ein spanischer Pilger eingetroffen.
Es ist erst früher Nachmittag, aber es gibt nichts mehr zu tun. Die Wäsche haben wir von der Leine geholt und über die Bettpfosten drapiert. Wir krabbeln in unsere Schlafsäcke und verträumen die Zeit, Entspannung für die Beine, Muße für die Gedanken. Ich lasse Erinnerungen Revue passieren und denke an zu Hause und an unsere Kinder. Wie es denen jetzt wohl geht? Heute ist die Hälfte unserer Camino-Zeit um. Noch einmal so lange und wir sind wieder daheim. Besonders große Sehnsucht verspüre ich noch nicht.
Ich höre auf das Treiben unserer Mitbewohner. Die Österreicherinnen halten es für eine gute Idee, ihre Wäsche in der Mikrowelle zu trocknen. Was dabei herauskommt, sind angekokelte Socken und Brandblasen auf Doris’ Händen. Es hätte schlimmer kommen können. Ich stelle mir vor, wie es ist, in meinem Schlafsack zu verbrennen, wie der synthetische Stoff sich verflüssigt und an meiner Haut klebt... kein schöner Gedanke. Bevor mir noch mehr dumme Ideen kommen, gehen wir lieber zum Essen. Bis auf ein kleines Picknick haben Pit und ich heute noch nichts in den Magen bekommen. Doch wir sind zu früh dran. Cena- Zeit ist um neun, und jetzt haben wir gerade erst halb acht. Macht aber nichts, wir fangen eben schon mal mit Wein an und nutzen die Zeit zum Reden. Wir haben viel Spaß und freuen uns am Ungestörtsein. Alles ist entspannt und richtig gut!
31. TAG TAPIA DE CASARIEGO — RIBADEO
Heute ist unser letzter Tag am Meer. Der Regen hat sich verzogen, und wir brechen bei strahlendem Sonnenschein auf und landen schon nach ein paar Metern am Hafen in einer Bar, wo wir ein kleines Frühstück einnehmen. Wer weiß, wann wir sonst dazu Gelegenheit finden? Erst gegen elf Uhr wandern wir an Stränden aus dem Ort heraus, einer romantischer als der andere, sodass wir dauernd stehen bleiben. Weiter geht es an der Küste entlang, die so beeindruckend schön ist, dass uns jedes Wort unzulänglich und kümmerlich erscheint: steil, wild, zerklüftet, farbenprächtig, gewaltig... Pit und ich verlassen ständig den Weg, um bloß keinen sensationellen Ausblick zu verpassen, waten durch hüfthohe Wiesen und knöcheltiefen Matsch. Für ein paar Kilometer brauchen wir Stunden. Aber das ist uns egal, denn die Umwege lohnen sich.
Zwischendurch treffen wir immer wieder die drei Österreicherinnen. Blöd, dass sie mitten in eine Regenperiode geraten sind, die für diese Jahreszeit in Spanien ziemlich untypisch ist. Trotzdem scheinen die drei gut drauf zu sein. Jedenfalls lachen sie viel, genießen die Schönheit der Gegend genauso wie wir und lassen sich auch ebenso viel Zeit. Wir trennen uns von ihnen an einem besonders schönen Aussichtspunkt, wo sie picknicken wollen. Pit und ich lagern uns erst am frühen Nachmittag am Rand eines steil abfallenden Weges, der hinunter zum Strand führt. Leider überraschen uns wieder einmal dicke Regentropfen. Also Regencape an und — als der Himmel sich wieder lichtet — Regencape aus. Zu guter Letzt müssen wir unsere Bibabutzemänner aber doch anbehalten, denn inzwischen strömt der Regen sintflutartig auf uns herunter. Pit und ich müssen vorübergehend Schutz in einem Hauseingang suchen. Doris, Uli und Petra, die uns mittlerweile eingeholt haben, sind nass wie die Pudel. Zusammen trotten wir weiter.
Dann kommt der Zeitpunkt, an dem wir die Küste endgültig verlassen müssen. Wieder einmal treffen wir auf unsere gute, alte N 634, die uns bis kurz vor Ribadeo führt. Vor der Stadt trennt eine breite Wasserstraße Asturien von Galizien. Darüber führt eine ca. 400 Meter lange und 60 Meter hohe Autobrücke, die gerade zur Autobahn erweitert wird. Früher gab es wohl mal einen Fußgängerüberweg am Rande der Fahrbahn. Aber jetzt ist die Brücke
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