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Und was, wenn ich mitkomme?

Und was, wenn ich mitkomme?

Titel: Und was, wenn ich mitkomme? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Prawitt
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eine einzige riesige Baustelle hoch über dem Wasser, und wir haben nicht die geringste Ahnung, wie wir da hinüberkommen sollen. Eine Alternative oder einen Fährverkehr gibt es nicht. Die A-Mädels, wie Pit die drei Österreicherinnen mittlerweile tituliert (A als Abkürzung für Austria), beschließen, es mit Trampen zu versuchen. Auch wir strecken unsere Daumen in die Höhe. Aber wohl abgeschreckt durch unsere triefnassen Regenumhänge fahren alle Autos an uns vorbei. Und was nun?
    »Los, wir gehen mal ganz nach vorne«, schlägt Pit vor. Ich bin skeptisch. Denn was soll das bringen? So dicht an der Baustelle hält bestimmt niemand, und wir stehen den Bauarbeitern bloß im Weg herum. Doch die kümmern sich gar nicht um uns, bis wir ihnen signalisieren, dass wir über die Brücke wollen. Da ermutigen sie uns fröhlich, unser Vorhaben in die Tat umzusetzen, ohne uns anzuseilen, ohne Helm, Netz oder andere Schutzmaßnahmen. In Deutschland wäre so etwas undenkbar. Da würden im besten Fall sofort die Polizeisirenen heulen, im schlimmsten ein Krankenwagen von der Psychiatrie vorfahren. Aber hier passiert nichts.
    Die Fahrbahnen sind verkleinert worden und nur mit konisch zulaufenden Betonpfeilern gesichert. Daneben zieht sich ein höchstens 60 cm breiter, geländerloser Rand entlang, auf dem zu allem Überfluss auch noch Unmengen von Baumaterial lagern. Dieser Rand ist die einzige Möglichkeit für uns, über die Brücke zu kommen, in 60 Metern Höhe, nichts als unergründlich türkisgrünes Wasser unter uns. Wer da hinunterstürzt und dann auch noch mit Rucksack, der ist sicher innerhalb von Sekunden mausetot... Zu allem Überfluss müssen wir auch noch zwei Montagegerüste umklettern. Dazu muss man zwischen Fahrbahn und Gerüst auf den Betonpfeilern balancieren und einen möglichst autofreien Zeitpunkt abpassen. Sich um das Gerüst herum zu trauen, während gerade ein LKW vorbeirauscht, wäre glatter Selbstmord. Jedenfalls kann ich mir gut ausmalen, was passiert, wenn mein Rucksack von so einem Straßenriesen mitgeschleift wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass genau das passiert, ist mindestens genauso groß wie die, nass zu werden, wenn man ohne Regenschirm unter einer voll aufgedrehten Dusche steht. Schließlich hängt man auf den schmalen Betonabgrenzungen gefährlich weit mit Körper und Gepäck über der Fahrbahn.
    Doch was helfen meine Bedenken? Irgendwie müssen wir über diese Brücke, und so mobilisiere ich meinen ganzen Mut und wage mich vorsichtig hinter Pit her. Der ist begeistert. »Sieh mal die Stadt. So eine tolle Aussicht kriegen wir nie wieder!«, schreit er. Aber mir ist die Aussicht schnurzpiepegal. Ich habe Mühe, mein Adrenalin unter Kontrolle zu halten, genau wie meine Augen, die unaufgefordert immer wieder zum Abgrund rechts neben mir wandern. Die Bauarbeiter verfolgen grinsend unser Manöver, und als ich erfolgreich eines der grässlichen Baugerüste umklettert habe, klopft einer von ihnen mir auf die Schulter. » Muy bien« (Sehr gut), lobt er mich. Der tut ja gerade so, als wäre das hier ein riesiger Spaß! Ja, sieht er denn nicht, dass diese Wahnsinnstat mich beinahe umgebracht hätte?
    Offensichtlich nicht und zu guter Letzt ist — о Wunder — tatsächlich niemand bei dieser Aktion gestorben. Stolz wie die ersten Menschen auf dem Mond betreten wir galizischen Boden. Hochgefühl pur, das wir gleich über Monika ausschütten, der Frau, die wir gestern in Tapia de Casariego kennengelernt haben und die uns jetzt kurz vor unserer Herberge mit ihren Einkäufen über den Weg läuft. Monika hat einen Linienbus gefunden, der sie problemlos über die Baustellenbrücke bis in die Stadt hineingebracht hat. Warum finden eigentlich immer die anderen die unkomplizierten — und vor allem die ungefährlichen — Lösungen?
    Zusammen gehen wir zur Herberge, die direkt neben der Brücke steht, von außen niedlich wie ein Puppenstübchen aussieht, aber von innen stinkt wie eine Kloake. Pit und ich nehmen Reißaus, gehen in der Stadt einkaufen und trinken unseren unvermeidlichen café con leche. Schade bloß, dass wir dadurch das letzte bisschen Sonne des Tages verpassen, was mich trotz der reichlichen Endorphinausschüttung der vergangenen Stunden in mürrische Stimmung versetzt. Mir ist zwar klar, dass Pit und auch sonst niemand etwas an der Situation ändern kann. Aber es hilft kein bisschen, wenn ich mir das vorhalte. Es geht mir erst besser, als ich mein Bedauern aussprechen kann und auf Verständnis

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