Und was, wenn ich mitkomme?
mittlerweile. In der Nähe der Nationalstraße haben wir fast deutsch bei herrlichstem Wetter gefrühstückt. Der Weg nach Luarca war sehr abwechslungsreich, rauf und runter, endlich Sonnenschein und blauer Himmel, links die Berge, rechts das Meer, wenn auch nur zu ahnen. Gesehen haben wir es dann in Luarca, wo wir am Hafen etwas gegessen und ganze zwei Liter Cola in uns hineingeschüttet haben. Hinter Luarca wurde es eintönig, viel Asphalt und viele Häuser. Doch dann führten uns die gelben Jakobswegpfeile in schulterhohes Dickicht, in dem wir uns fast verlaufen hätten. Nach einer kurzen Apfelpause erkundigte Pit sich bei einem Einheimischen nach dem Weg. Er wies uns durch einen wunderschönen, lichten Wald. Doch die Strecke zog sich endlos hin und entsprach ganz und gar nicht der Beschreibung in unserem Wanderführer. Ich war genervt. Aber am Ende siegte doch die Zufriedenheit: Ohne große Überwindung haben wir heute gut und gerne an die 32 Kilometer geschafft.
Duschen, waschen, essen gehen — die übliche Prozedur. Unser »Speiseraum« stellte eine Sehenswürdigkeit für sich dar: vollgestopft mit einem Sammelsurium von Bildern, Nippes, Möbeln, der unvermeidliche laufende Fernseher, ein Regal voller Gesellschaftsspiele. Dazwischen wir vor unseren gut gefüllten Tellern.
Hier in Spanien haben wir schon öfter Zeichen »merkwürdiger« Wohnkultur entdeckt, zum Beispiel eine riesige Garage, deren eine Hälfte komplett wie ein gemütliches Wohnzimmer eingerichtet war, während in der anderen Hälfte das Auto neben einer Menge Gerümpel parkte. Für uns ein sehr be fremdlicher Anblick.
So hält jeder Tag seine besonderen Überraschungen bereit. Aber das Schönste dieses Tages ist, dass Pit und ich wieder fröhlich miteinander sind. Die Seele ist erleichtert, der Weg abwechslungsreich, der Himmel endlich mal wieder blau und der Körper voll Energie. Heute Abend hat es zwar wieder angefangen zu regnen, und wir merken Beine und Füße, aber es ist ein gutes »Merken«. Und jetzt freue ich mich auf den Schlaf. Also: Buenas noches/
29. TAG PINERA — LA CARIDAD
Heute schrubben wir nur schlappe 15 Kilometer. Gestern waren wir uns noch nicht sicher, wie weit wir heute gehen würden. Der Regen nimmt uns die Entscheidung ab, denn es schüttet wie aus Eimern. Was wir gestern gewaschen haben, ist nicht trocken geworden. Leider fing es nämlich schon am Abend wieder an zu regnen. Und die Herbergen sind oft so klamm, dass auch im Haus die Wäsche nicht ganz trocken wird. Nun beschert uns der neue Tag wieder bloß trübgraue, wasserschwere Regenwolken, die sich erbarmungslos über uns entleeren und uns zwingen, unsere feuchten Sachen, anstatt sie an den Rucksack zu hängen, in Plastiktüten zu verstauen. Der Regen geht nieder wie ein dichter Vorhang. Wir sehen kaum den Weg vor unseren Füßen und warten den schlimmsten Guss im Eingang eines Holzhauses ab. » Understanding « — Unterstellung — nennt Pit das. Wir frotzeln über unsere Capes mit den roten »Zipfelmützchen«, nennen uns gegenseitig »Bibabutzemann« und denken gar nicht daran, uns unterkriegen zu lassen, was mich ziemlich überrascht. Welches Geheimnis steckt dahinter, dass der Regen das eine Mal alle unsere Kräfte aufzehrt, uns nörgelig und empfindlich macht, und uns ein anderes Mal bloß zum Herumalbern animiert und sogar noch unsere Willensstärke mobilisiert, aus der Situation das Beste herauszuholen und es uns trotz allem gut gehen zu lassen? Ich habe die Vermutung, dass es weder am Regen noch an der Situation liegt. Woran aber dann?
Allmählich gehen die himmlischen Sturzbäche in durchdringenden Nieselregen über. Es wird Zeit, unseren kleinen Unterstand zu verlassen. Hinter Jarrio stapfen wir durch einen verwunschenen Hohlweg. Die Bäume verschränken über unseren Köpfen ihre Äste — wie gute Freunde, die sich die Hände schütteln. Für Minuten hält das dichte Blätterwerk den Regen ab. Doch bald prasselt es wieder munter auf uns herab, und zu allem Überfluss führen uns die gelben Jakobswegpfeile auch noch über aufgeweichte, schlammige Waldwege. Mittlerweile haben wir die Nase voll von so viel Matsch und gehorchen jetzt mal nicht dem Camino, sondern marschieren entschlossen an der N 634 entlang, eine Strecke, die nicht unbedingt kürzer ist als der Waldpfad und — wie wir bald feststellen müssen — auch nicht trockener. Denn nun bekommen wir die Nässe nicht nur von oben und unten ab, sondern durch die vorbeirauschenden Autos auch
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