Und was, wenn ich mitkomme?
ist... und amüsiert sich prächtig über unsere zweite Gesprächsrunde. Diesmal nehme ich meinen kleinen Langenscheidt zu Hilfe und lerne eine neue spanische Vokabel: esperar — warten auf. Tja, es bleibt uns wohl tatsächlich nichts anderes übrig, als uns in Geduld zu üben. Der Händler begleitet mich bis zur nächsten Ecke, lachend und schulterklopfend. Wir verabschieden uns voneinander wie langjährige Freunde.
Der Nachmittag kriecht langsam vorüber, unsere Sachen sind nass wie am Morgen und wir sind verunsichert und müde. Doch endlich, endlich öffnet uns eine kleine, alte Dame. Das muss Donna Theresa sein, und wir fragen uns, wo sie gesteckt hat. Jedenfalls haben wir sie nicht ins Haus hineingehen sehen. Sie stempelt ein Wandermännchen, das typische Zeichen der staatlichen Pilgerherbergen, in unsere Pilgerausweise, nimmt von jedem von uns 3 Euro in Empfang und händigt uns schließlich den Schlüssel zu unserer Unterkunft aus.
Es gibt zwei Schlafsäle, Duschen und Toiletten, alles ein bisschen düster, aber sauber und warm und trocken. Wir breiten uns mächtig aus und hängen unsere Sachen auf Schnürsenkel, die wir zwischen zwei Bettpfosten spannen. Ich verschwinde unter der Dusche und anschließend im Schlafsack. Pit dämmert schon leise vor sich hin. Aber die Ruhe währt nicht lange: Ein uns noch unbekannter Pilger trifft ein. Wir heißen ihn willkommen und erfahren, dass er Hendrik heißt, aus Sachsen stammt, bereits den Camino Frances hinter sich hat, sich seine Compostela also schon erwandert hat, und nun den Nordweg zurückgeht. Wir tauschen gerade Tipps und Erfahrungen aus, da tauchen Petra, Uli und Doris auf, die drei Österreicherinnen, die vorgestern mit uns in der Schimmelherberge in Cadavedo übernachtet haben. Wir rücken zusammen, und während sie ihre triefnassen Sachen im Raum verteilen, zaubert Hendrik eine Flöte aus seinem Gepäck und spielt ein paar hübsche kleine Melodien.
Innerhalb von Minuten sieht es in unserer Herberge aus wie in einer Waschküche. Überall hängen und liegen dampfend feuchte Klamotten. Die drei Mädels haben die letzte Nacht kurz vor Luarca verbracht und sind heute beinahe 30 Kilometer durch Dauerregen gelaufen. Sie sind nass bis auf die Knochen und hungrig wie die Löwen. Pit und ich schleppen alle in die Bar, in der wir schon zu Mittag gegessen haben. Am Nebentisch machen sich die Österreicherinnen über Berge spanischer Köstlichkeiten her, während Pit und ich uns bei Rotwein und Zigarillos angeregt mit Hendrik unterhalten. Und zurück in der Herberge ist längst nicht Schluss. Ausgelassen albern wir mit unseren Mitbewohnern herum und lassen diesen Tag ausgesprochen fröhlich ausklingen.
30. TAG LA CARIDAD — TAPIA DE CASARIEGO
Heute laufen wir unsere bisher kürzeste Strecke, 11,5 Kilometer, ein Spaziergang durch Wiesen, kleine Dörfer und verstreute Gehöfte. Der von unserem Wanderführer angekündigte Strandweg entpuppt sich als Nebenstraße unserer altbekannten N 634. Aber immerhin regnet es nicht.
Schon gegen elf Uhr erreichen wir unser Ziel. Die Herberge liegt am Ortseingang, direkt am Meer. Der Ausblick ist atemberaubend. Es ist Ebbe. Schwarze Felsen erheben sich wie die verschlungenen Beine eines versteinerten Riesenkraken aus den Wellen, über die die Sonne goldenes Licht gießt. Wir können uns kaum trennen. Aber natürlich müssen wir zuerst den Schlüssel für die Herberge besorgen, was sich mal wieder als ein echtes Abenteuer herausstellt, an dem mindestens zwei Handvoll Leute beteiligt sind. Wir stehen ratlos im ayuntamento (Rathaus), hören den Leuten zu, die wegen des Schlüssels alle durcheinanderreden, und fragen uns, was so kompliziert daran sein kann, uns das Ding endlich auszuhändigen. Wir beschließen, die Situation einfach nur komisch zu finden. Dazwischengehen hat sowieso keinen Sinn, und nachdem schließlich jeder gesagt hat, was er unbedingt loswerden musste, können wir endlich mit dem Schlüssel abziehen. Nachdem wir uns eingerichtet haben, trudeln die drei Österreicherinnen ein und beschließen zu bleiben. Schließlich muss endlich mal die Wäsche trocknen, und außerdem ist die Herberge fantastisch: herrliche Aussicht, ruhige Lage, sauber und geräumig und mit einer Wäscheleine hinter dem Haus.
Nach dem Duschen erkunden Pit und ich die gemütliche, überschaubare kleine Altstadt, den Hafen und die spektakulär schönen Steilklippen, die von lila und gelben Blumen mit fleischigen Blättern überwuchert sind. Es
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