Und was, wenn ich mitkomme?
Wohltat, Musik aus einer hochwertigen Anlage zu hören — und deshalb hat sie für ihn ihren berechtigten Wert. Was hat in diesem Sinn berechtigen Wert für mich? Was fehlt mir zur Lebensfreude? Sicher mehr und vor allem anderes, als ich zur bloßen Existenz brauche. Ob ich auf dem Weg herausfinde, was das sein könnte?
Nach knapp 20 Kilometern erreichen wir Mondoñedo. Mondoñedo ist ein wunderhübsches Städtchen mitten in den Bergen, mit zwei Kirchen und schiefergedeckten Häusern, die sich locker um das Zentrum gruppieren. Durch die Altstadt mit ihren alten Granitbauten ziehen sich labyrinthartig schmale, steile Gassen, die zum Teil noch mit uralten Steinen gepflastert sind. Der Platz vor der Hauptkirche ist dagegen groß und übersichtlich. Einheitlich weiß gestrichene Häuser fassen den Platz ein. Alle haben bis zum Boden heruntergezogene Fenster und Balkone mit schmiedeeisernen Geländern. Das gleichförmige Stadtbild wirkt beruhigend und tut der Seele gut. Es sind kaum Menschen auf der Straße, und es ist friedlich wie in einem Wald.
Pit und ich wollten heute eigentlich in einem hostal übernachten, um endlich mal unsere Sachen, vor allem die Schuhe, trocken zu bekommen. Zugunsten unseres Geldbeutels haben wir uns aber für die Herberge entschieden und uns überlegt, uns einen Föhn zu kaufen. Leider sind alle Geschäfte geschlossen, weil Feiertag ist. Wir müssen also bis Montag warten oder wir finden — ganz im Sinne meiner neuen Erkenntnis, dass wir gar nichts müssen — eine andere Alternative. Jedenfalls erweist sich die Herberge als gute Wahl. Wir finden sie auf einer Anhöhe am Ende einer Sackgasse. Sie ist sehr komfortabel ausgestattet bis auf die Duschen, die leider nur kaltes Wasser hergeben. Ich benutze sie trotzdem. Noch während ich mich abtrockne, höre ich bekannte Stimmen. Es sind die drei A-Mädels und Moni. Wie schön: Wir sind wieder alle zusammen.
Wir beschließen, gemeinsam essen zu gehen. Es gibt drei Vorspeisen und zwei Hauptgerichte. Uli kann sich nicht entscheiden, was sie essen will. Ihre Unentschlossenheit führt dazu, dass zum Schluss jeder vom Teller des anderen isst — ein herrlich fröhliches Durcheinander. Und als Uli am Ende nicht mal weiß, ob sie Kaffee, Cappuccino, Espresso oder unseren bewährten café con leche trinken will, klinkt sich auch noch unser Kellner mit allerhand Späßen ein. Wir amüsieren uns königlich und genießen das Zusammensein beinahe mehr als das Essen.
Am Abend besuchen wir alle noch die Messe. Der Innenraum der Kirche ist dunkel, aber die Deckenmalereien sind bunt und lebendig und voller Geschichten, die mir über die Eintönigkeit der Liturgie hinweghelfen. Vielleicht wäre der Gottesdienst längst nicht so langweilig gewesen, wenn wir etwas verstanden hätten. Musik allerdings erreicht die Seele auch in fremder Sprache. Eine Nonne singt engelsgleich zur Orgel. Lange, nachdem ihre Lieder verstummt sind, bleiben wir fünf schweigend sitzen. Nach und nach leeren sich die Kirchenbänke. Wir bleiben allein in der dämmrigen Kirche zurück. Und da plötzlich stimmt Doris ein Lied an, das wir auch aus unseren Gottesdiensten kennen: »Diesen Tag, Herr, leg ich zurück in deine Hände...«
Jetzt liege ich in meinem Schlafsack. Die anderen sind noch mal auf ein Bierchen losgezogen. Aber ich werde genau das tun, was wir vorhin gesungen haben: Danke, Herr, für diesen Tag!
Aus Pits Tagebuch:
Heute laufen wir wieder einen landschaftlich sehr schönen Weg. Wir sind früh los und haben in der gestern verzweifelt gesuchten Bar café con leche getrunken. Haben uns gut über unsere unterschiedlichen Befindlichkeiten unterhalten. Eva hilft es nicht, wenn ich immer versuche, das Positive aufzuzeigen, wenn sie nun mal anders empfindet. Sie möchte Mitgefühl und die Möglichkeit, ehrlich sagen zu können, wie es ihr gerade geht.
Eine Pause ist mal wieder nicht drin, weil der Boden total nass ist und wir uns deshalb nirgendwo niederlassen können. Das einzige Restaurant auf dem Weg ist leider geschlossen. Bloß der überdachte Eingangsbereich bietet Schutz vor dem plötzlich einsetzenden Regen.
Gegen ein Uhr erreichen wir Mondoñedo, eine schöne Stadt mit mittelalterlichem Kern. Die Ausstattung der Herberge ist top, das Wasser leider eiskalt. Die A-Mädels, Moni und Pierre aus Kanada treffen ein und so ist unsere »Camino-Familie« wieder vereint. Zusammen essen wir in einem Restaurant zu Mittag und haben riesigen Spaß. Ist richtig erfrischend! Der
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